Entstehung der Landschaft in der Eiszeit
Die Landschaft, in der das Barmstedter Gebiet liegt, ist vor allem ein Produkt der großen eiszeitlichen Klimaschwankungen der letzten 1 Million Jahre Erdgeschichte während des Pleistozän. Schleswig-Holstein ist ein riesiger, teils über 100 m mächtiger Sand-, Stein- und Tonwall aus Ablagerungen der verschiedenen Eiszeiten. Es gibt nur wenige Stellen, an denen das ursprüngliche (präglaziale) Gestein an die Oberfläche tritt: bei Itzehoe, Segeberg, Sylt und Helgoland und in der Liether Kalkgrube. Hier aber nur, weil man zum Abbau von Kalk im Tagebau bis 1986 diese geologischen Schichten freigelegt hat, so dass man sie jetzt studieren kann. Der Geestrücken in der Mitte des Landes, auf dem das heutige Barmstedt liegt, entstand schon in der Saale-Eiszeit, deren vorgeschobene Gletscher vor etwa 75.000 Jahren bei ihrem Abschmelzen Geröll, Sand und Ton zurückgelassen hatten. Dagegen ist das östliche Hügelland ein Produkt der letzten, der Weichsel-Eiszeit, die etwa vor 12.000 Jahren zu Ende ging. Während dort das skandinavische Gletschereis von teils 600 m Höhe langsam abschmolz, lebten in der Landschaft der heutigen Geest wie auch auf dem Boden der heutigen Nordsee in einer Tundralandschaft aus Gras und niedrigen Büschen viele eiszeitliche Tiere. Man hat dort an verschiedenen Stellen Fossilien von Mammut und Säbelzahntiger gefunden. Vor allem aber zogen Rentiere in riesigen Herden durch das Land. Ihnen folgten die eiszeitlichen Rentierjäger, von deren Lagerstellen die frühesten archäologischen Beweise für die Existenz von Menschen in Schleswig-Holstein stammen. Nach einem der berühmtesten Fundorte wird diese menschliche Entwicklungsstufe die Ahrensburger Kultur genannt. Als das Eis um etwa 10.000 v. Chr. abschmolz, entstanden die heutigen Bodenformen in ihrer heutigen Gestalt. Die Sandablagerungen (Sander) der hohen (sandigen) und der flachen Geest, die Grundmoränenhügel und Toteis-Seen Ostholsteins, die Flusstäler der Stör, Pinnau und auch der Krückau, die das Schmelzwasser vom Eisrand im Osten, die Sander und Altmoränen durchschneidend, in das ca. 30 m tiefer als heute gelegene Urstromtal der Elbe leiteten.
Im Verlaufe mehrerer tausend Jahre entstanden die Küstenlinien der beiden Meere, die Ostsee als Schmelzwasserbecken der skandinavischen Gletscher und die Nordsee als sich ausdehnende Bucht des Atlantik, die aufgrund des steigenden Meeresspiegels durch das Gletscherschmelzen nach und nach bis ca. 2500 v. Chr. alles bis zur heutigen Geestlinie überflutete. Das Marschgebiet ist erdgeschichtlich der jüngste Teil des Landes und entstand erst, als die Nordsee durch Bodenhebung nach und nach Land wieder hergab, als durch Ebbe und Flut an der flachen Küste Schlickablagerungen in großen Flächen entstanden. (Küster 2002)
Unser Barmstedter Gebiet liegt auf einer Altmoräne der Hohen Geest, die ca. 2/3 des Kreises Pinneberg einnimmt. Nach Osten und Nordosten in Richtung Kisdorf schließt sich eine Sanderzone an. Die Oberfläche entspricht nicht der von der Saaleeiszeit zurückgelassenen Grundmoränenform, wie sie heute noch in Ostholstein zu finden ist, sondern ist duch die großflächigen Abfließbewegungen in der Auftauzone des Permafrostbodens während der Weichseleiszeit entstanden (Solifluktion). So entstand die flachwellige Altmoränenlandschaft, die im Osten durch kleinere Dünenaufwehungen begrenzt ist. Die damals noch tiefer liegende Krückau mit ihren Nebenflüssen, auf Barmstedter Gebiet dem Höllenbek und der Nappenhörnerau, war zunächst ein Schmelzwasserstrom in Richtung des Elbeurstromtals und hatte entsprechend große Erosionen und Sedimentationen in ihrem Einflussgebiet zur Folge. (Hendeß, S. 4f)
Stein-, Bronze- und Eisenzeit im Barmstedter Gebiet
Im Gebiet Schleswig-Holsteins breitete sich mit dem wärmeren Klima der Wald stark aus, am Ende geprägt vor allem durch Buchen und Eichen, und mit ihm wanderten Pflanzen und Tiere in großem Artenreichtum ein, was zur Folge hatte, dass das Gebiet seitdem kontinuierlich von Menschen besiedelt war (Degn, S.20; Bohn, S. 7), auch der Geestrücken im südwestlichen heutigen Holstein enthält viele Spuren menschlicher Anwesenheit während dieser Mittelsteinzeit (Mesolithikum). Für das Gebiet von Barmstedt und den Kreis Pinneberg ist eine große Zahl von archäologischen Hinterlassenschaften aus allen Epochen der Stein-, Bronze- und Eisenzeit dokumentiert (Ahrens). Im Barmstedter Gebiet Schäferfeld wurden von einer Gruppe um den Lehrer und damaligen Museumsleiter Adolf Opfermann umfangreiche und ergiebige Grabungen vorgenommen. Einige der Fundstücke können im Museum der Grafschaft Rantzau besichtigt werden, das heute noch von Mitgliedern der damaligen Gruppe betreut wird.
Bis zum Beginn der in schriftlichen Quellen dokumentierten Geschichte dieser Region, also nach der Völkerwanderungszeit Ende des 7. Jahrhunderts, finden sich archäologische Beweise für die Existenz unterschiedlicher Entwicklungsstufen in Holstein siedelnder oder vorbei ziehender Sammler und Jäger der Altsteinzeit bis zu Siedlungsspuren sesshafter Ackerbauern und Viehhalter nach der „neolithischen Revolution“ um 4.000 v. Chr. Die Menschen rodeten Inseln innerhalb des Urwaldes, bauten dort feste Häuser und dorfähnliche Siedlungen, nutzten neue Erfindungen wie Tongefäße, Transportfahrzeuge auf Rädern und Steingeräte für die Bodenbearbeitung und den Hausbau. Sie domestizierten Haustiere aus einigen Wildtierarten und züchteten Nutzpflanzen. „Überschussproduktion, Vorratswirtschaft und Arbeitsteilung führten zu einem Bevölkerungsanstieg und zu sozialen Veränderungen.“ (Hoffmann; Bohn, S.7)
Ab 1.800 v. Chr. gelangten auch Bronzegegenstände und wohl auch Verfahren zu ihrer Herstellung hierher. Aus dieser Zeit bis in die Eisenzeit ab 500 v. Chr. stammen die vielen Hügelgräber, durch die die Barmstedter Gegend bis ins 19. Jahrhundert hinein geprägt war. Heute finden sich noch in Langeln und Hemdingen eindrucksvolle Beispiele. Eingehend behandelt Claus Ahrens in seinem Werk „Vorgeschichte des Kreises Pinneberg und der Insel Helgoland“ (1966) dieses Kapitel. Es wird angenommen, dass die Menschen, die diese Megalith-Kultur mitgebracht hatten, aus dem Mittelmeerraum und Westeuropa stammten, da sich dort ähnliche Monumente finden lassen. Die während der Eisenzeit zur Herstellung von Waffen und Geräten aus Raseneisenerz nötige Holzkohle soll zusammen mit den für die Siedlungen und Felder nötigen Brandrodungen nach und nach zu einem Schwinden des ursprünglichen Waldbestandes und zur Entstehung der für das Land früher typischen Heideflächen geführt haben. (Degn, S.21)
Vorgeschichtliche Forschung
Aber nicht nur an Funden ist diese Gegend reich, sondern auch die vorgeschichtliche Forschung wurde durch die Vielzahl an „tumuli“ früh angeregt. Schon Ende des 17. Jahrhunderts öffnete der Barmstedter Pastor Christian Detlef Rhode in Zusammenarbeit mit Studenten des Akademischen Gymnasiums Hamburg hier zahlreiche Hügelgräber und dokumentierte genau Lage, Aufbau, Struktur und Fundstücke, die – ergänzt durch Zeichnungen, Briefe und einen Beitrag des Hamburger Professors Fabricius – von seinem Sohn zunächst im Jahre 1719 in wöchentlichen Lieferungen, dann 1728 in seinem Buch „Cimbrisch-Hollsteinische Antiquitæten-Remarques, Oder: Accurate und umständliche Beschreibung/ derer in denen Grab-Hügeln derer alten Heydnischen Hollsteiner der Gegend Hamburg gefundenen Reliquien, als Urnen/ Wehr und Waffen/ Zierrahten/ Ringe…“ veröffentlicht wurden. Dieses Werk kann man online lesen. Der Verbleib der Funde selbst ist heute leider nicht mehr bekannt, was mit den politisch wirren Zeitumständen des frühen 18. Jahrhunderts zu tun haben dürfte. Im zwanzigsten Jahrhundert ist von den vielen archäologischen Denkmälern nicht viel übrig geblieben, fast alle wurden eingeebnet und die Fläche landwirtschaftlich oder städtebaulich genutzt. Manches deutet darauf hin, dass der für Barmstedt dokumentierte Galgenberg ein besonders großes Hügelgrab war, das als Hinrichtungsstätte genutzt wurde.
Antike
Innerhalb der Eisenzeit fand durch die zunehmende Siedlungsdichte eine Ausbildung von Stammesverbänden statt. Wahrscheinlich infolge von Klimaverschlechterungen mit mehreren schlechten Ernten in Folge kam es jedoch auch wiederholt zu Wanderbewegungen in Richtung Süden, wodurch erstmals Menschen aus dem nordelbischen Gebiet in schriftlichen Überlieferungen römischer Quellen erwähnt werden. Plutarch beschreibt den Kampf der Römer gegen die Cimbern und Teutonen, die wahrscheinlich aus Jütland stammten und im Jahre 113 v.Chr. auf die Römer trafen und für diese eine so ernsthafte Bedrohung darstellten, dass zu ihrer Abwehr Feldherren umfangreiche Macht gewannen. Eine mittelbare Folge davon sei gewesen, dass so langfristig die römische Republik durch das Kaisertum ersetzt wurde. (Degn, S.22f) Über die genaue Herkunft der Cimbern und Teutonen, über ihr Leben und den Grund ihres Wegzuges aus ihrer Heimat gibt es leider keine Quellen. Allerdings beschreibt Augustus etwa 100 Jahre später den Vorstoß seines Stiefsohnes Tiberius bis in das Gebiet der Cimbern „durch den Ozean von der Rheinmündung gegen Sonnenaufgang bis in das Gebiet der Cimbern […], und die Cimbern, Haruden, Semnonen und andere germanische Stämme dieser Gegend baten durch Gesandte um meine und des römischen Volkes Freundschaft.“ (Degn, S.22) Während diese Begegnung friedlich ausging, war zwei Jahrzehnte früher von einem anderen Stiefsohn des Augustus der Versuch gemacht worden, die Reichsgrenze bis an die Elbe vorzuschieben. Zwischen 12 und 9 v.Chr. hatte sein Stiefsohn mehrere Feldzüge gegen die Germanen unternommen und dabei die Friesen (heutige Niederlande), Chauken (südliche Unterelbe), Brukterer (Weserbergland), Marser und Chatten unterworfen. Der weiteste nördliche Vorstoß fand 12 v.Chr. über den Rhein, Nordsee bis an die Wesermündung statt.
Tacitus und Ptolemäus erwähnen Cimbern, Teutonen, Ambronen, Sueben, Langobarden und Angeln. Im zweiten Jahrhundert werden erstmals die Sachsen erwähnt, als Bezeichnung für die nordelbischen Kleinstämme.
Völkerwanderungszeit
Die Sachsen wiederum setzten sich in der Völkerwanderungszeit (375-568) in Richtung Westen in Bewegung. Die neuere Forschung geht – nach Bohn – davon aus, dass kurz nach 400 n. Chr., als die letzten römischen Truppen aus Britannien abzogen und so die noch bestehenden römisch-britischen Kleinkönigreiche unter den Druck der benachbarten Pikten und Skoten gerieten, Angeln und Sachsen zunächst in den Dienst britannischer Kleinkönige traten, um Mittelengland gegen die Angreifer zu verteidigen. Später aber rissen diese Hilfstruppen aus Jütland und dem Unterelbegebiet die Macht an sich und leiteten einen Zustrom aus der Heimatregion nach England ein. Dabei verdrängten sie nach und nach die (römisch-)keltischen Britannier nach Westen in die Gebiete des heutigen Wales, Cornwall, Schottland und die Bretagne. (Degn, S.26f) Die sächsischen Königreiche können noch heute an den englischen Grafschaftsnamen Wessex (Westsachsen), Sussex (Südsachsen) und Essex (Ostsachsen) erkannt werden, ebenso an der Regionsbezeichnung Eastanglia (Ostanglien), die auf die frühmittelalterliche Herrschaft der Angeln in dieser Gegend zurückzuführen ist, diese siedelten aber auch in anderen mittelenglischen Königreichen. Der einheitliche Name England (urspr. Englaland ~ Land der Angeln) entstand nach der Verschmelzung der Königreiche der Angeln und Sachsen, als ab Ende des 8. Jahrhunderts diese wiederum von den aus Dänemark und Skandinavien stammenden Wikingern bedroht wurden. Interessant ist eine Parallele in den Bestattungssitten zu Holstein. Nur in der Grafschaft Kent wurden die Toten wie hier in Hügelgräbern beigesetzt.
Literatur
- Claus Ahrens: Vorgeschichte des Kreises Pinneberg und der Insel Helgoland, Neumünster 1966
- Jutta Hendeß: Barmstedt – eine siedlungsgeographische Betrachtung. Hausarbeit im Wahlfach Geographie zur Ersten Lehrerprüfung, Barmstedt 1968
- Almut Hoffmann: Die Steinzeit. Museum für Vor- und Frühgeschichte. Neues Museum Berlin 2010
- Christian Detlef Rhode: [Cimbrisch-Hollsteinische Antiquitæten-Remarques, Oder: Accurate und umständliche Beschreibung/ derer in denen Grab-Hügeln derer alten Heydnischen Hollsteiner der Gegend Hamburg gefundenen Reliquien, als Urnen/ Wehr und Waffen/ Zierrahten/ Ringe…, Altona 1728
- Hanjörg Küster: Die Ostsee. Eine Natur- und Kulturgeschichte, München 2002