Die Französische Revolution 1789 und ihre Auswirkungen auf Holstein und Hamburg
In Paris kam es am 14. Juli 1789 zum Sturm auf die Bastille, dem Staatsgefängnis des noch absolutistisch regierenden Königs Ludwig XVI., nachdem sich der Dritte Stand des Bürgertums zur Nationalversammlung erklärt hatte und das Gerücht aufgekommen war, der König wolle diese militärisch auflösen. Besonders in Paris litt die Bevölkerung nach der Missernte von 1788 an der schlechten Lebensmittelversorgung und war aufgebracht über die verschwenderische Hofhaltung des Königs, den Luxus von Adel und Klerus bei gleichzeitig ineffizienter Staatsführung. Dieser Aufruhr führte zur Revolution mit der „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ vom 26. August 1789, Abschaffung der Ständegesellschaft mit allen feudalen Rechten und schließlich auch der Monarchie. Damit wurde die erste demokratische Republik in Europa geschaffen, nachdem 13 Jahre zuvor die 13 britischen Kolonien mit ihrer Unabhängigkeitserklärung eine ähnliche Entwicklung vollzogen hatten.
Die Nachrichten von den Ereignissen in Paris verbreiteten sich wie ein Lauffeuer in ganz Europa. Der größte Teil der gebildeten Bürger, aber auch viele Adlige begrüßten die Revolution und sahen darin das Signal für das Aufkommen einer neuen Zeit. Bei vielen wich die Sympathie jedoch einer Skepsis, als mit den Septembermorden, der Hinrichtung Ludwigs XVI. und Marie Antoinettes und der Terrorherrschaft der Jakobiner 1793 die blutige Seite der Umwälzung deutlich wurde. Die Bedrohung durch Österreich und Preußen, deren Herrscher ein Ausbreiten der Revolution auf ihre Länder verhindern wollten, hatte ab April 1792 zum Krieg geführt, der am Ende unter Führung Napoleon Bonapartes ganz Europa und Nordafrika überzog. Napoleon war am 9. November 1799, dem 18. Brumaire VIII (Revolutionszeitrechnung), durch einen Staatsstreich zum Ersten Konsul und damit zum Alleinherrscher von Frankreich geworden.
Ludwig van Beethoven(1770-1827) war als junger Mann begeisterter Anhänger der französischen Revolution und wollte seine 3. Sinfonie sogar Napoleon Bonaparte widmen, entschied sich jedoch dagegen, als dieser sich 1804 zum Kaiser krönen ließ. Er gilt mit seinem Gesamtwerk als Vollender der Wiener Klassik und Wegbereiter der Romantik.
Auch in Hamburg und in den Herzogtümern war unter den Gebildeten die Begeisterung zunächst groß, während die Masse aufgrund fehlender Information und nur sehr geringer Schulbildung relativ teilnahmslos blieb. Die Presse der damaligen Zeit war noch sehr elitär, es gab nur wenige Blätter, die mit Auflagen von zunächst einigen Hundert oder Tausend jetzt auf Rekordzahlen von 40-45.000 explodierten. Aus Hamburg stammte eine der wichtigsten poltitischen Zeitungen Deutschlands, nämlich die „Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“, kurz der „Correspondent“. Und gleich zwei der wichtigsten Zeitungen des dänischen Gesamtstaats kamen aus Altona, nämlich der „Altonaer Mercur“ und der „Reichspostreuter“. Zumindest einige der Exemplare davon dürften auch in Barmstedt gelesen worden sein. In verschiedenen Städten Deutschlands bildeten sich Jakobinerclubs, die die Ideale der Revolution, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auch in Deutschland vertraten und hier einen Umsturz oder zumindest einen radikalen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen wollten. Auch Hanseaten wie Georg Heinrich Sieveking und Caspar Voght, die zusammen ein florierendes Handelshaus für Nordamerika führten, feierten am 14.07.1790 mit ihrem Freundeskreis in Harvestehude ein Freiheitsfest, begrüßten die Revolution und hofften auf ein Übergreifen auf Deutschland.(Klessmann, S.312) Ähnliches spielte sich in Eutin ab, wo Adlige ihre „Stammbäume“ öffentlich verbrannten. Doch bald trafen in Hamburg und Altona Flüchtlinge aus Frankreich ein, zunächst Angehörige des Adels, später nach dem Beginn von Robespierres Terrorherrschaft ein zweiter Strom von Menschen, die die Revolution aktiv mit vorangetrieben hatten. Insgesamt sollen es über 10.000 gewesen sein.
Die Landschaft um 1800 / Verkoppelung
Die Vahrendorfsche Karte von 1789/96 zeigt auf Blatt 49 den Flecken Barmstedt und die Administratur Grafschaft Rantzau. Das Blatt wurde zur 850-Jahr-Feier der Stadt Barmstedt im Jahr 1990 vom Landesvermessungsamt Schleswig-Holstein als Nachdruck (s.u.) neu herausgegeben. Genau und sehr anschaulich im Maßstab 1 : 25.000, was einer heutigen Wanderkarte entspricht, sind hier Straßen, Häuser, Geländeoberflächen und Nutzungen eingetragen.
Die Landschaft weist deutliche Veränderungen auf gegenüber der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Denn im Unterschied zu anderen Regionen ist hier die Verkoppelung schon durchgeführt. Diese u. a. vom berühmtesten Agrarreformer der Herzogtümer, dem Glücksburger Propst E. Lüders, vehement geforderte Reform führte ab 1767 in Holstein zu einer Neuaufteilung der landwirtschaftlichen Flächen. Im Jahr 1771 erließ der dänische König die „Verkoppelungsverordnung für das Herzogtum Holstein“ und beauftragte die „Schleswig-Holsteinische Landcommission“ mit der Vermessung und Bonierung aller Gemeindefluren. Wenn die Hälfte der Bewohner zustimmte, wurde das Verfahren eingeleitet. (Göttsch, S. 241) Das Land wurde parzelliert, da jetzt die Feldgemeinschaften aufgehoben und stattdessen nach Fläche und Güte möglichst gerechte neue Eigentumsverhältnisse unter den einzelnen Bauernstellen hergestellt werden sollten. Entscheidungen wurden interessanterweise von den Dorfgemeinschaften getroffen und nicht von der absolutistischen Obrigkeit, die allerdings den Fortgang der Verkoppelung selbst erzwang. Auch Wald, Moor und Heide wurden einbezogen. Die Folge war eine völlige Veränderung des Landschaftsbildes, da jetzt überall Knicks entstanden, aus denen auch der Brennholzbedarf gedeckt werden sollte. Das Ziel einer Erhöhung der Produktivität der Landwirtschaft konnte offenbar erreicht werden. Allerdings war damit auch eine Verstärkung der sozialen Spaltung verbunden, da die Kätner und Insten, die keine Bauernstelle besaßen, aber – als Mitglied der Dorfgemeinschaft – ihre Kuh oder ihre Schafe bis dahin auf der Allmende hatten mitweiden können, jetzt leer ausgingen. Als Weide blieb nur noch der öffentliche Wegrand übrig, die Kinder mussten sie hüten und blieben deshalb oftmals der Schule fern. Auch die Feuerung hatten sie jetzt meist zu bezahlen, da ihnen auch hier das Recht auf kostenlose Entnahme aus dem gemeinsamen Waldstück genommen war. (Hoch 1988, S. 25f)
Um den Sinn dieser von der Regierung angeordneten Maßnahme zu verstehen, muss man wissen, dass zunehmend erkannt worden war, dass die Landwirtschaft mit ihren veralteten Anbaumethoden die stark zunehmende Bevölkerung nicht mehr ausreichend ernähren konnte. Seit dem Mittelalter waren die verschiedenen Fluren um die holsteinischen Dörfer herum in Streifen aufgeteilt. Auf jedem dieser „Kamps“ besaßen die einzelnen Bauern (Hufner, abgeleitet von Hofner, in der Grafschaft meist „Bauleute“ genannt) einen oder mehrere Streifen oder sie hatten diese gepachtet. Das Gleiche galt von Wald und Wiesen, soweit sie nicht herrschaftlich waren. Diese Feldgemeinschaft betrieb den Ackerbau seit Jahrhunderten im Prinzip unverändert. Winter- und Sommergetreide und eine Brachephase wechselten einander ständig ab, Düngung war lediglich über das Einarbeiten der Streu aus den Viehställen bekannt. Die Folge waren ausgelaugte Böden und geringe Erträge. „Die Gemengelage der Besitzanteile brachte es mit sich, daß ein Bauer seinen Acker nur über den der anderen Dorfgenossen erreichen konnte, daß ferner jeder Kamp gleichzeitig mit gleichem Getreide bestellt und auch gleichzeitig abgeerntet und dann – unter Aufsicht des Dorfhirten – als gemeinsame Viehweide genutzt wurde: Es herrschte „Flurzwang“. Ein rationelles Wirtschaften mit Bodenpflege, Anbau spezieller Früchte und dergl. war bei diesem altertümlichen genossenschaftlichen System, das in weiten Teile Schleswig-Holsteins herrschte, unmöglich. Deshalb betrieben – manchmal auch auf Wunsch der Bauern – die im 18. Jh. an der Entwicklung der Landeskultur interessierten Regierungen (…) in Kiel die Verkoppelung. Die Flur wurde völlig neu eingeteilt. Jeder Bauer erhielt durch Los oder Zuteilung sein Land in wenigen größeren Stücken, die er mit Knicks (Wallhecken) einzufriedigen hatte und die er künftig ganz individuell als Acker und/oder Weide nutzen konnte. Damals erst entstand das für Schleswig-Holstein so typische Knicknetz.“ (Degn, S. 162) Es konnte allerdings auch passieren, dass im Interesse einer Arrondierung Höfe aus dem Dorf ausgesiedelt werden mussten. Deshalb sollte immer das Los entscheiden, wenn es nicht freiwillige „Ausbauer“ gab.
Von 1789 bis 1796 erstellte im Auftrag der königlichen Regierung unter der Leitung des Generalmajors Gustav Adolf von Varendorf das Schleswigsche Infanterieregiment die „Topographisch Militärische Charte des Herzogtums Holstein“, insgesamt 68 kunstvoll gezeichnete, mehrfarbige Blätter im Originalmaßstab 1:26.293. Diese kartografische Darstellung, bekannt unter dem Namen Varendorfsche Karten enthält auf 68 Blättern eine sehr präzise und hervorragend anschauliche Wiedergabe der Landschaft vor 200 Jahren, teilweise vor der Verkoppelung. Das Landesvermessungsamt Schleswig-Holstein hat 1991 eine Reproduktion auch der übrigen Blätter herausgegeben. Das Original befindet sich im Kort- og Matrikelstyrelsen in Kopenhagen.
Die genaue kartografische Erfassung der Landschaften war zu dieser Zeit aufgrund technisch-mathematischer Durchbrüche und einer an der Landesentwicklung sehr interessierten aufklärerischen Haltung vieler fürstlicher Kabinette ein Bestandteil moderner Verwaltung geworden. Durch den Roman „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann wurde die Leistung des Mathematikers Carl Friedrich Gauß auch als Landvermesser wieder entdeckt. Dieser führte seine ersten Arbeiten ab 1797 als Assistent des französischen Generalquartiermeisters Lecoq im (französisch besetzten) Herzogtum Westfalen durch, ab 1816 machte er Breiten- und Längengradvermessungen im Königreich Dänemark und 1818 bis 1826 die Gaußsche Landesaufnahme des Königreichs Hannover.
Napoleonische Kriege
Im ersten Koalitionskrieg Preußens und Österreichs 1792-1797 gegen Frankreich, der geführt wurde, um die Revolution zu verteidigen bzw. einzudämmen, erhielten die beiden monarchischen Mächte zusätzliche Bündnispartner in Großbritannien, den Niederlanden, Spanien, Neapel und Piemont. Sah es zunächst nach einer Niederlage des revolutionären Frankreichs aus, so wendete sich das Blatt, als die Franzosen die allgemeine Wehrpflicht (Levée en masse) einführten und sowohl Preußen als auch Österreich zum Frieden zwangen. Das linke Rheinufer wurde von Frankreich annektiert. Im Inneren war es 1793/94 zu einem Bürgerkrieg gekommen, der schließlich von der Zentralregierung blutig niedergeschlagen worden war. Unter den Jakobinern kam es danach jedoch zu heftigen Auseinandersetzungen, an deren Ende alle führenden Köpfe unter der Guillotine gefallen waren. Während der Krieg außen erfolgreich zu Ende geführt wurde, kam es in Paris zur Direktoriumsverfassung, die nach mehreren Staatsstreichen schließlich 1799 mit der Konsulatsverfassung endete, bei der Napoleon Bonaparte, der gerade von der Ägyptenexpedition zurück gekehrte sehr populäre Revolutionsgeneral, zum ersten Konsul gewählt wurde.
Nach dem ersten Koalitionskrieg war nur Großbritannien als Kriegsgegner Frankreichs übrig geblieben. Preußen unter seinem neuen König Friedrich Wilhelm III. blieb in dem zweiten Koalitionskrieg neutral. Österreich unterlag mehrere Male und ebenso das Osmanische Reich gegen die französischen Truppen in Ägypten, die sich aber ruhmlos unter britischer Hilfe zurückziehen mussten.
Dänemark unter dem Außenminister Bernstorff hatte sich im ersten Koalitionskrieg Frankreichs mit seinen Feinden wie in den voraufgegangenen Kriegen zunächst defensiv neutral erklärt, wurde aber durch die englischen Kaperfahrer zum Schutz der eigenen Flotte gezwungen und schloss sich schließlich dem bewaffneten Neutralitätsbund Schwedens, Preußens und Russlands an. 1801 zwang jedoch ein Angriff der Royal Navy unter Admiral Nelson auf Kopenhagen Dänemark zur Kapitulation und zum Wohlverhalten gegenüber Großbritannien.
Hamburgs Neutralitätspolitik: Die Hansestadt hatte in den 1780er Jahren einen starken Handelsaufschwung erlebt, seit das Handelsmonopol der Briten für Nordamerika nach deren Niederlage in Amerika gefallen war. Im Koalitionskrieg hatte sich die Stadt versucht neutral zu verhalten, was schwieriger war als für Dänemark. Denn der Krieg war 1793 zum Reichskrieg erklärt worden und die Stadt konnte sich nur durch Zahlungen militärisch heraushalten, zudem hatte es im Süden das mit England in Personalunion verbundene Königreich Hannover als Nachbarn. Nach Besetzung der Niederlande durch Frankreich besetzten hannoversche Truppen das hamburgische Amt Ritzebüttel. 1798 gab es erneute Probleme, als Napper Tandy, der Führer eines irischen Aufstands gegen die Briten, in Hamburg Asyl erhielt. Die Briten sperrten die Elbmündung, beschlagnahmten Hamburger Schiffe und drohten mit Intervention. Als Hamburg jetzt auslieferte, erließ Frankreich ein Handelsembargo gegen Hamburg, das schließlich in eine Strafzahlung umgewandelt wurde.
Dänische Besetzung Hamburgs: Nachdem 1800 Hamburg den britischen Admiral Nelson mit allen Ehren gefeiert hatte, besetzten dänische Truppen Hamburg, um den englischen Handel zu treffen. (Bild) Wenige Tage später griff die britische Flotte vor Kopenhagen die dänische Flotte an und besiegte diese. Damit sollte eine anti-britische Koalition aus Russland, Dänemark, Schweden und Preußen verhindert werden, die in einer bewaffneten Neutralität potentiell die napoleonische Seite hätten unterstützen können. Die dänische Besetzung in Hamburg wurde daraufhin beendet. 1803 besetzten französische Truppen Ritzebüttel, woraufhin Großbritannien eine Blockade über die Mündungen von Elbe und Weser verhängte. Napoleon erpresste jetzt Unterhaltszahlungen für die französische Armee, die inzwischen das benachbarte Hannover besetzt hatte. Der Hamburger Senat zeigte Wohlverhalten, indem er 1804 alle Außenwerke seiner Befestigung schleifen und aus den kanonenbewehrten Wällen Gartenanlagen machen ließ. Fast gleichzeitig beseitigte man auch die mittelalterlichen Reste der alten exterritorialen Ansprüche auf Hamburger Gebiet und nutzte die Regelungen des Reichsdeputationshauptschluss von 1803, um den Dom, immerhin „eines der größten und bedeutendsten mittelalterlichen Baudenkmale Norddeutschlands“ (Klessmann, S.377) abzureißen. Dabei wurden auch sämtliche wertvollen Kunstschätze vernichtet oder in Sielanlagen verarbeitet. Zusätzlich wurde auch die Franziskanerkirche abgerissen. Stattdessen wurden um 1800 von den Freimaurern ein Logenhaus und ein Logen-Krankenhaus gebaut.
Am 24.03.1803 kam es im Reichsdeputationshauptschluss unter dem Druck Napoleons zu einer völligen Neuordnung des Heiligen Römischen Reichs, in der 110 Territorien in neue Staaten integriert wurden und die Reichsinstitutionen völlig an Bedeutung verloren. Die linksrheinischen Gebiete wurden vollständig an Frankreich abgegeben, das sich 1804 von einer Republik in ein Kaiserreich verwandelte.
In der Schlacht bei Trafalgar am 21. Oktober 1805 wurde die französische Flotte von der britischen vernichtend geschlagen und so für 100 Jahre die britische Vormacht zur See geschaffen. Im Dezember 1805 siegten in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz die französischen Truppen gegen Österreich und Russland.
Am 12. Juli 1806 wurde durch Kurmainz, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau, Kleve-Berg und weitere Fürstentümer der Rheinbund gegründet, der unter dem Schutz Napoleons stand. Alle diese Territorien erklärten am 1. August den Austritt aus dem Reich. Durch ein französisches Ultimatum kam es am 6.8.1806 zum Ende des Heiligen Römischen Reichs durch Abdankung Kaiser Franz II., der sich von jetzt an nur noch Kaiser von Österreich nannte
Das Herzogtum Holstein wurde am 9.9.1806 vom dänischen Kronprinzen durch das Inkorporationspatent als ein in jeder Beziehung mit dem dänischen Gesamtstaat „ungetrennter Teil“ verbunden. Die Deutsche Kanzlei in Kopenhagen erhielt jetzt die Bezeichnung Schleswig-Holsteinische Kanzlei.
Für die Administratur der Grafschaft Rantzau bedeutete diese Neuordnung auch das Ende der Sonderbehandlung. Sie wurde von jetzt an zusammen mit den Herrschaften Herzhorn, Sommerland und Grönland als Bestandteil des Herzogtums Holstein behandelt.
Nach dem Sieg in der Schlacht bei Jena und Auerstedt wurde Hamburg durch die Franzosen besetzt und im November 1806 verfügte Napoleon vom gerade eroberten Berlin aus eine totale Kontinentalsperre gegen Großbritannien, um das Land durch diese Blockade ökonomisch in die Knie zu zwingen. Dieser Blockade verdankt u.a. die Rübenzuckerindustrie ihren Aufschwung, da jetzt die gesamte Rohrzuckereinfuhr aus der Karibik gestoppt wurde.
Bündnis Dänemarks mit Frankreich: Dänemark war schon seit 1801 zum Wohlverhalten gegenüber Großbritannien gezwungen gewesen. Als das Königreich jedoch eine englische Allianzforderung ausschlug, beschoss die Royal Navy im August 1807 Kopenhagen mit verheerenden Folgen und erzwang die Auslieferung der gerade wieder neue aufgebauten dänischen Kriegsflotte an England. Diese Schmach führte am 31. Oktober 1807 zu einem offenen Bündnis Dänemarks mit Napoleon und einer Kriegserklärung gegen Großbritannien im Glückstädter Wasmer-Palais.
Französische Truppen kamen daraufhin in die Herzogtümer, um die Kontinentalsperre durchzusetzen. Die Folgen für Hamburg und andere Hafenstädte waren desaströs, da so der Seehandel vollständig zum Erliegen kam. Ende 1810 wurde der gesamte norddeutsche Küstenbereich südlich der Elbe in das französische Kaiserreich einverleibt. Bei extremer Massenarbeitslosigkeit, Einquartierungen und Geldforderungen war die Lage in Hamburg katastrophal, wenn auch die Einführung des französischen Rechts und Verwaltungsreformen sehr fortschrittlich waren. Die Briten organisierten von Helgoland aus den Schmuggel und das Agentenwesen zum Kontinent. Von Hennings berichtet von Warentransporten geschmuggelter amerikanischer Waren über Helgoland und den Hafen Husum durch die Grafschaft Rantzau.
Rantzau verliert sein Schloss – Verwaltungszentrale der Grafschaft wird modernisiert
Administrator Friedrich von Bardenfleth 1789-1795
„Ich besah mir das Haus des Administrators. Das ganze Wesen ist eine abscheuliche meist aus kleinen Löchern bestehende Schrummeley. Bald geht es Trepp auf und bald herunter. Alles ist von Fachwerk. Das neue Haus ist noch schlechter als das alte gebaut. Unter dem neuen Hause ist fast nirgends fester Grund, und das Haus ist deswegen unglaublich viel von außen und innen gesunken. Ich habe nie so versunkene Scherwende gesehen, und einige gezogene Schornsteine auf so unsicheren Unterlagen sind durch die vielen Risse die sie bekommen gaben, und stets bekommen werden, sehr unsicher.“ (Trede 2011, S.28)
Kurz nachdem Graf Reventlow 1796 diese Eintragungen in seinen „Reise Bemerkungen“ machte, wurde in Kopenhagen die Entscheidung getroffen, das alte Schloss, das noch von 1650 aus der Rantzauer Zeit stammte, abzureißen und durch einen erheblich schlichteren Neubau zu ersetzen. Über deren Hintergrund ist bisher noch wenig bekannt, außer der Tatsache, dass die Bausubstanz offenbar völlig marode war.
Die vorher hier in dem alten Gemäuer wohnenden Administratoren auf Rantzau blieben vielleicht deswegen nicht lange: von 1789 – 1795 Friedrich von Bardenfleth (Kammerherr und Landrath), während dessen Zeit das große Vorwerksgebäude unter der Aufsicht des für Holstein und Altona zuständigen, durch klassizistische Bauten in Altona berühmt gewordenen Landbaumeisters Christian Frederik Hansen errichtet wurde. (Trede 2011, S. 32)
Administrator Hinrich Friedrich von Eggers 1795-1798 (Conferenzrath und Ritter). Die Amtsverwalter im Haus auf der ersten Insel waren bis 1792 Philip Georg Friederich von Reck, Regierungsrath, und bis 1801 Heinrich Theophilius Christian Hasse, Legationsrath und Doctor der Rechte (Grabstein an der Kirchmauer, jetzt beim Torhaus). Wichtig als Quelle für die wirtschaftlichen, sozialen und verwaltungsmäßigen Verhältnisse in der Grafschaft Rantzau wurde dann 1801 Hildemar thor Straten (Kriegsrath).
Administrator Nicolaus Otto Baron von Pechlin 1798-1807
Der neue Administrator ab 1798 war der Kammerherr von Pechlin. Nach Aussage seines Nachfolgers von Hennings (ab 1808) war er unzuverlässig (Ritschl, S.156). Ebenfalls thor Straten, der Amtsverwalter ab 1801 klagt über die Amtsführung seines Vorgängers Hasse. (thor Straten, S.91). In die Zeit Pechlins und thor Stratens fällt die Entscheidung über den Abriss des Schlosses und der Neubau des heutigen Hauses.
Die Geschichte dieses auf Graf Christian Rantzau zurückgehenden, 1722 umgebauten und in dänischer Zeit, 1757 und 1758, durch einen großen Flügelanbau erweiterten Schlosses sowie des gesamten Komplexes der Schlossinseln incl. des Vorwerks mit neu aufgefundenen Karten und Zeichnungen hat Helmut Trede 2011 recht ausführlich und sehr gut illustriert in seiner Broschüre „Schlossinsel Rantzau. Ein geschichtlicher Rückblick“ vorgelegt. (siehe Literaturverzeichnis)
Im Jahre 1804 bzw. 1805 wurde das alte inzwischen dreiflügelige Schloss aus der Zeit um 1650 abgerissen und ein neues Wohnhaus für den Administrator errichtet, das (wohl) heute noch steht. Es gibt unterschiedliche Darstellungen über die Baugeschichte, die hier nur angedeutet werden sollen. Nach Ritschl, der die privaten Unterlagen der Familie des Administrators von Hennings ausgewertet hat, wurde der Neubau vom oben erwähnten Landbaumeister Christian Frederik Hansen im klassizistischen Stil errichtet, während von Hennings sich um die Stelle bewarb. Er habe auch die Pläne zugesandt bekommen und sich über die Symmetrieversessenheit Hansens lustig gemacht. Dieser großzügige Bau sei erst zum Einzug von Hennings im Jahre 1808 fertig geworden, im Jahr 1828 aber nach einem Brand von einem ganz schlichten Neubau ersetzt worden. Näheres hier. Nach Hubertus Neuschäffer wurde der Bau jedoch in der heutigen Form 1804 bis 1806 von C.F.Hansens Neffen, dem späteren Bauleiter der Kirche in Quickborn, Johann Matthias Hansen, erbaut. Auch hier (?) hatte allerdings C.F.Hansen den Entwurf geliefert. Helmut Trede konnte – wiederum in seiner 2011 erschienenen Veröffentlichung – nach Auswertung der Bauakten nachweisen, dass der Entwurf zum 1805/06 erbauten Gebäude auf der Schlossinsel vom Bauinspektor Friedrich Christian Heylmann d.Ä. aus Altona stammt. Festhalten lässt sich allerdings, dass der Landbaumeister Hansen zuständig war, im Jahre 1804 aber nach Kopenhagen ging, um das abgebrannte Schloss Christiansborg neu zu errichten, und dabei die Holstein betreffenden Aufgaben an seinen Stellvertreter Heylmann abgab. Interessant ist jedoch die Ähnlichkeit des Rantzauer Gebäudes mit dem auf Hansen zurückzuführenden Herrenhaus auf Gut Krummbek aus dem Jahr 1803. Außer dem Schlossgebäude wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts das gesamte Gebäudeensemble auf den Schlossinseln erneuert.
Die Grafschaft Rantzau um 1800: In der Topographie von Holstein von Johann Friedrich August Dörfer, der sein Buch im Jahr 1808 „seiner königlichen Hoheit dem Kronprinzen“ widmet, wird die Grafschaft folgendermaßen beschrieben (in originaler Rechtschreibung)
„Grafschaft Ranzau, vormals ein Theil der Herrschaft Pinneberg, das Amt Barmstedt genannt, welches nach Absterben des Grafen Otto III. von Schauenburg an das fürstl. holsteinische Haus fiel, von demselben an den Grafen Christian Ranzau verkauft, und darauf 1650 eine Reichsgrafschaft wurde. 1733 erhielt der König die schon vorher sequestrierte Grafschaft, und hatte als Graf zu Ranzau Sitz und Stimme auf der wetterauischen Grafenbank. Die Grafschaft liegt zwischen der Herrschaft Pinneberg, dem Amt Steinburg, dem Uetersener Klostergebiet, der Herrschaft Breitenburg, dem Amt Segeberg, und dem Gut Caden. 41/3 Quadratmeilen. Ein kleiner Theil derselben ist Marsch (Raaermarschdistrikt), welcher seinen eigenen Deichgrafen hat. Der Administrator und der Amtsverwalter, welcher zugleich Hausvogt ist, wohnen auf dem Schlosse Ranzau. a) Kirchspielsvogtei Elmshorn. Pertinenzen (Zugehörigkeit) Bauerweg, Besenbek, Elmshorn (nicht vollständig), Hasenbusch, Kaltenhof, Kaltenweide, Krücke, Lehmkuhl, Papenhöhe, Raa, Reisik, Scheidepfahl, Spitzerdorf, Spiekerhörn. b) Kirchspielsvogtei Barmstedt. Wird in 3 Gilden getheilt, welche aber nur einen Kirchspielsvogt haben: 1) Mittelgilde. Pertinenzen Aspern, Barmstedt, Bokholt, Hanredder, Lutzhorn, Gros- und Kleinoffenseth, Sparrieshoop, Bilsen. 2) Hörnergilde. Pertinenzen Bokel, Bokelses, Brande, Hörnerkirchen, Oster- und Westerhorn. 3) Überauergilde. Pertinenzen Bevern, Bullenkuhlen, Ekholt, Ellerhoop, Grossendorf, Hede, Hemding, Langeln, Seth, Thiensen. Erster Forstdistrikt. 1 Hegereuter, 1 Holzvogt. Die bisher genannten Aemter und Landschaften werden in 3 Forstdistrikte getheilt, von denen jeder einen Jägermeister und Oberförster hat. Zu welchem Distrikt jedes Amt gehöre, ist bei jedem schon angezeigt.“ (Dörfer, S. 13f.)
Der Flecken Barmstedt um 1800
Um die Jahrhundertwende veränderte sich auch das Aussehen des Fleckens Barmstedt und des dieses östlich und nördlich umgebenden Großendorf. Man erkennt an der kartografischen Darstellung auf der Vahrendorfschen Karte sehr gut, wie sich im Flecken die Häuser dichtgedrängt an wenigen Straßenzügen entlang von Süden über die Krückau her um die Kircheninsel – erkennbar an dem roten Kreuz – und die zwei Marktplätze herum nach Westen und Nordwesten hinziehen. Die Krückau schlängelt sich noch auf den regelmäßig durch Aufstauung des Müllers überschwemmten Sumpfwiesen südlich am Flecken vorbei hin zu den Schlossinseln und der Wassermühle, die – abgelegen von Dörfern – ihre herrschaftliche Distanz wahren. Um diese Zeit wurden einige Häuser neu erbaut, z.B. 1802 die Privilegierte Apotheke an der Kirche von Wulf Samuel Rode, der das alte Haus ersetzte durch einen repräsentativen Neubau an gleicher Stelle. 1808 wurde der „Große Marktplatz“ eingeebnet und für Märkte hergerichtet. Diese vorherige „Unzierde des Ortes“ erhielt 1825 eine erste Bepflanzung mit Linden.
In der Topographie von Holstein von Johann Friedrich August Dörfer aus dem Jahre 1808 wird die Barmstedter Region folgendermaßen beschrieben (in originaler Rechtschreibung):
„Barmstedt, Flecken (seit 1736) in der Grafschaft und Probstei Ranzau, in der Mittelgilde der Kirchspielsvogtei Barmstedt, an der Elmshörnerau; eine Meile von Elmshorn. Ohngefehr 120 Häuser und 600 Einwohner. Verfassung, s.Corp. Const. B. 3. Die Wassermühle ist für königliche Rechnung auf Zeitpacht ausgethan. Jahrmarkt am Montage nach Judica, am 15. August, am 6. und 30. Oktober. Auch ist am Mittewochen und Sonnabend Wochenmarkt. – Die beiden hiesigen Prediger und den Katecheten, als Adjunktus Ministerii, ernennt der König. Pastor Eink. 1680 Mk. Comp. gewisse Eink. 400 Mk., ungew. 550 Mk. Eingepfarrte Orte: Grossendorf, Ranzau, Bokholt, Hanredder, Aspern, Gr. und Kl Offenseth, Sparrieshoop, Luzhorn, Heede, Langeln, Hemding, Ellerhoop, Thiensen, Bevern, Seth, Eekholt, Offenade, Kortenhagen, Bullenkuhlen, Cölln, Reisik (nicht vollständig), Spitzerforth, Bilsen.„
„Krückau, wird bis zur Elmshornermühle schlechtweg Au genannt. Vormals hies sie Giester oder Sester. Entspringt bei Alvesloh im Gut Caden, geht nach Barmstedt und Elmshorn, wo sie schon für Torfewer fahrbar ist. In der Gegend von Kronsnest im Adelichen Gut Neuendorf ist eine Fähre über dieselbe. Bei Seestermühe fällt sie in die Elbe.“ (Dörfer, S. 43)
August von Hennings / Französische Truppen in Hamburg, Holstein und Barmstedt
Die französische Besetzung Hamburgs 1806 hatte neben einem totalen Stopp für die Hamburger Schifffahrt mit den Folgen eines allgemeinen wirtschaftlichen Niedergangs, großer Arbeitslosigkeit und Armut u.a. auch zur Folge, dass Familien, die es sich leisten konnten, ins benachbarte Holstein emigrierten, um z. B. in Altona eine Zuflucht zu suchen. Manche Familien schickten ihre Kinder auch weiter weg. Auf diese Weise kam der später berühmt gewordene Architekt Gottfried Semper als Kind nach Barmstedt und verbrachte hier seine Schulzeit auf der Gemeindeschule, um dann ab 1819 an die Gelehrtenschule des Johanneums in Hamburg zu gehen.
Aus militärischen Gründen wurde vorübergehend eine erste Poststation auf Rantzau eingerichet. Der übliche Postdienst verlief nicht über Barmstedt oder die Rantzauer Administratur, sondern diese ließ ihre eigenen Briefe von laufreisepflichtigen Untertanen über die nächstgelegene Poststation Elmshorn besorgen. Die Dienstpflichtigen hatten jedoch inzwischen einen Boten angestellt, der wohl auch Privatbriefe mitbeförderte. Die Feldpoststation, eingeführt im September 1807, hatte nur Bestand bis zum Kriegsende im Januar 1815. Sie hatte die Aufgabe, die über Stafetten eingehenden Briefe weiterzuleiten und dafür 2 – 6 Ordonnanzen ständig in Bereitschaft zu halten, die wiederum ihre eigenen Pferde stellen mussten. Nach 5 Tagen erfolgte jeweils eine Ablösung. Briefe mit 2 Siegeln sollten in einer 3/4 Stunde mindestens eine Meile (= 8,8 km), mit 3 Siegeln noch schneller befördert werden. In Richtung Kopenhagen war die nächste Feldpostation in Bramstedt.
Friedrich VI. neuer König von Dänemark: 1808 wurde der bisher schon regierende Kronprinz Friedrich VI. nach dem Tod seines nicht regierungsfähigen Vaters Christian VII. auch offiziell König von Dänemark etc. Unter seiner Herrschaft konnten Minister wie Ernst Heinrich von Schimmelmann fortschrittliche politische Veränderungen wie die Bauernbefreiung durchsetzen. Die Schollenbindung und die Leibeigenschaft hatte er bereits abgeschafft. Trotz der absolutistischen Staatsverfassung galt weiterhin die von Struensee eingeführte absolute Pressefreiheit und diese führte zusammen mit der aufklärerischen und an Menschenrechtsthemen interessierten Regierung zu einer ideellen Allianz mit Frankreich, die durch die britischen Überfälle auf Kopenhagen 1801 und 1807 schließlich auch zu einem militärischen Bündnis wurde. Aus diesem Grunde wurde Holstein im Unterschied zu den meisten deutschen Territorien, wie Hamburg oder Hannover, nicht von französischen Truppen besetzt. Zur Durchsetzung der Kontinentalsperre verstärkten sie jedoch die verbündeten dänischen Truppen und kontrollierten selbst die Häfen und Verbindungslinien.
Ab 1808 wurde August Adolph von Hennings neuer Administrator auf Rantzau und erster Bewohner des neuen Herrenhauses auf der Schloßinsel. Er war die sicherlich interessanteste und auch bekannteste Persönlichkeit auf diesem Posten. Vor seiner Ernennung zum Administrator in dem von aller Politik weit abgeschiedenen, idyllischen Rantzau hatte er sich bereits einen Namen gemacht als Vorkämpfer der Aufklärung und Menschenrechte, Staatsmann und Schriftsteller.
August von Hennings – Literarischer Vorkämpfer der Aufklärung: Er stammte aus Pinneberg, war dort als Sohn des Amtmannes Martin Hennings geboren, dessen Hausarzt übrigens Struensee gewesen war, war in seiner Jugendzeit eng befreundet mit Ernst Heinrich von Schimmelmann, dem Sohn des dänischen „Schatzmeisters“, der selbst Finanzminister wurde, hatte zunächst zur Zeit Andreas Peter von Bernstorffs und Johann Friedrich Struensees am Hof in Kopenhagen verschiedene Verwaltungsämter bekleidet, erlebte Struensees Sturz dort mit, anfänglich bejahend, mit den Strafen aber nicht einverstanden, war befreundet mit dem neuen Minister Guldberg, wurde dann im dänischen diplomatischen Dienst nach Berlin geschickt und erlebte dort noch Friedrich II, den „Alten Fritz“. Hier befreundete er sich eng mit dem Philosophen Moses Mendelssohn, dem Vorbild für Lessings „Nathan den Weisen“, von dem er erfuhr, dass sein ehemaliger Schulfreund Kestner in Goethes „Leiden des jungen Werthers“ in völlig verdrehten Zusammenhängen dargestellt worden war, woher bei ihm eine tiefe Abneigung gegen Goethe entstand. (Ritschl, S.24) Seine Schwester war mit dem Professor am Akademischen Gymnasium in Hamburg Dr. Reimarus, dem Sohn des berühmten Vaters der Bibelkritik und Freund Lessings, Albert Reimarus, verheiratet und betrieb ihre „Teestube“ als literarischen Salon, in dem man die wichtigsten Werke der schöngeistigen Literatur und Philosophie las. Er stieg in Kopenhagen zwar zum Staatsrat auf, verließ dann aber nach einem Regierungswechsel die Hauptstadt, da sein ehemaliger enger Freund Ernst Schimmelmann, der 1784 nach dem Sturz Guldbergs Finanzminister wurde, ihn nicht mehr einbeziehen wollte, wahrscheinlich weil Hennings in seinem Epos „Olavides“ zu aufrührerische Gedanken geäußert hatte. (Ritschl, S. 40) Er verbrachte mit seiner Frau Eleonore und seinen kleinen Kindern drei Jahre in Schleswig, veröffentlichte jetzt seine „Philosophischen Versuche“, beeinflusst von Rousseau, Locke, Hume und Mendelssohn. 1785 folgte „Über die wahren Quellen des Nationalwohlstandes“, in dem er „Staatswirtschaft, Staatskunst und Staatsklugheit mit den Pflichten der Menschheit, mit Moral und Religion“ verbinden wollte (Ritschl, S. 58), und schließlich 1786 das vierbändige Werk „Gegenwärtiger Zustand der Besitzungen der Europäer in Ostindien“. 1787 erhielt er wieder eine Stelle, nämlich als Amtmann in Plön, wo er als Dienstsitz einen Flügel des Schlosses bewohnte. Die französische Revolution zwei Jahre später begrüßte er zunächst, wie fast alle Gebildeten und veröffentlichte dazu mehrere Schriften. 1793 gab Hennings eine Zeitschrift mit dem Titel „Schleswiger Journal“ heraus, die aber bald auf preußischen Druck hin verboten wurde, weil er hier mit dem revolutionären Schriftsteller Johann Heinrich Voß zusammenarbeitete. Daraufhin gab er eine neue Zeitschrift unter dem Titel Genius der Zeit heraus, die von 1794 bis 1802 erschien. Hier erschienen Artikel und kritische Berichte zu Politik und Literatur, die den Zeitgeist beschrieben. Er lieferte sich hier auch eine scharfe Auseinandersetzung mit Goethe, der zusammen mit Schiller den „Genius der Zeit“ und Hennings persönlich in seinen „Xenien“ und im Faust, Teil 1, angegriffen hatte. 1792 schrieb Hennings „Wider den Adelsgeist“, in dem er den Adel kennzeichnet als den „unermüdete(n) Empörer gegen Regenten und die Geißel des unteren Standes“ (Ritschl, S.76). Diese Kritik ist interessant, weil er selbst in den Adelsstand erhoben worden war und hoher Beamter eines monarchischen Staates war. Widerspruch erhielt er deshalb auch vom Emkendorfer Kreis, in dem ein konservativ-romantisches Staatsideal vertreten wurde. Dieser Kreis mit seinem literarischen Wortführer Matthias Claudius sah in Hennings wie in Herzog Friedrich von Augustenburg, Voß, Ernst Schimmelmann und Adam von Moltke seine Gegner. Als die Revolution 1792 mit den Septembermorden und der Jakobinerherrschaft unter Robespierre blutig wurde, kamen Flüchtlingswellen aus Frankreich in Hamburg und Holstein an, die auch von Hennings unterstützt wurden. Er unterhielt nach Ritschl in dieser Zeit teils enge Beziehungen zu Menschen wie Marquis de La Fayette, dem Helden der amerikanischen und französischen Revolution, jetzt aber in Ungnade gefallen, zu Jacobi, Voß und dem Gesandten der revolutionären französischen Regierung in Hamburg, Karl Friedrich Reinhard, dessen Schwager er schließlich wurde
Antibritische Stimmung nach Überfall auf Kopenhagen: Nach dem Überfall der britischen Flotte auf Kopenhagen am 12.08.1807, bei dem 500 Häuser zerstört und 2000 Menschen getötet worden waren, schlug die Stimmung in Dänemark und den Herzogtümern gegen England um. Daher wurde der Kurswechsel der Kopenhagener Regierung öffentlich begrüßt. Hatte vorher die dänische Armee noch den Süden Holsteins gesichert, wurde nun nach der Kapitulation und erzwungenen Übergabe der dänischen Kriegsmarine an England ein Bündnis mit Frankreich geschlossen.
Vom 24. bis 27. Februar 1808 wurden die Landwehrleute in der Grafschaft Rantzau gezogen. Kurz darauf, am 8. März, zogen zur Durchsetzung der Kontinentalsperre napoleonische Armeeteile, bestehend aus französischen, holländischen und spanischen Soldaten, durch Elmshorn. (Brockmann, Ehlers)
Hennings ab 1808 auf Rantzau: Möglicherweise um einen ruhigeren Ort als Plön zu finden, hatte von Hennings den regierenden Kronprinzen mehrfach um die durch Tod des Vorgängers im August 1807 freigewordene Stellung in Rantzau gebeten und erhielt sie schließlich im Mai 1808. Nach Hamburg, wo seine Töchter Cäcilie Wattenbach und Louise Sieveking wohnten, war es nur 4 Meilen und man konnte an einem Tag mit der Kutsche sowohl hin als auch zurück fahren. Auf Rantzau hatte Hennings im Bereich des Vorwerks einen großen Garten, den er nach den Tagebuchaufzeichnungen seiner Enkelin selbst angelegt hatte. Sie schreibt darüber:
„Eine tiefe Au, ein Mühlenteich und kleinere Kanäle bilden verschiedene Inseln, durch Brücken verbunden. Auf einer derselben liegt das Wohnhaus mit einem Wirtschaftsgebäude, durch eine Brücke mit einer Insel verbunden, die zur Bleiche dient. Zur anderen Seite führt eine Brücke auf eine dritte Insel, welche das Gerichtshaus trug, abermals führt eine vierte Brücke auf die vierte Insel mit dem Wohnhaus des Amtsverwalters und mit Hennings´ Kuhhaus und Pferdestall. Dieses Eiland verband eine Zugbrücke mit dem festen Lande, und dort befand sich erst der eigentliche Garten, ein Blumen- und Gemüsegarten. Rabatten mit Rosen und Johannisbeersträuchern und vielen Sommerblumen faßten lange gerade Wege ein. Buchenhecken bildeten Bogengänge; drei Fischteiche, ein Lusthaus, ein Brunnen und eine Mooshütte waren merkwürdige Punkte und die schönsten Erdbeerbeete breiteten sich verlockend zwischen Rasen und Fruchtbäumen aus. Ich glaube, daß dies alles noch nicht da war, als die Familie im Mai 1808 Besitz nahm von der neuen Stätte.“ (Ritschl, S. 157)
Die Hamburger Enkelkinder befanden sich mit ihren Familien oft hier, da sie wie alle Hamburger unter den Folgen der französischen Besatzung zu leiden hatten. Hennings kaufte 1812 zu seinen Amtsäckern noch den Hof Bollenkuhlen und betrieb jetzt eine richtige eigene Landwirtschaft.
Der Hauslehrer J. Lohse, der die Hennings-Kinder auf Rantzau unterrichtete, zeichnete 1811 „nach den neusten Vermessungen“ die nebenstehende erste Karte der Grafschaft Rantzau, die zusammen mit der umfassenden Darstellung thor Stratens eine Fundgrube geografischer, ökonomischer und soziologischer Daten dieser Zeit ist.
Die Idylle auf Rantzau war in dieser Zeit sehr gestört durch das Verhältnis zwischen Hennings und dem Amtsverwalter thor Straten. Die Meinungsverschiedenheiten mündeten in gegenseitigen Beschwerden vor dem Schleswig-Holsteinischen Obergericht in Glückstadt und eskalierten im Jahr 1816, als Wilhelm, der Sohn von Hennings, inzwischen Leutnant der hannoverschen Armee, thor Straten wegen Beleidigung seines Vaters zum Duell aufforderte. Erst 1823 wurde thor Straten nach Ahrensbök versetzt, übergab aber noch im gleichen Jahr – nach 22 Jahren Tätigkeit als Amtsverwalter und Hausvoigt – eine umfangreiche handgeschriebene „Beschreibung der Grafschaft Rantzau„, eine kameralistische Darstellung der Administratur mit geschichtlichen Erläuterungen von 738 Seiten an die Königliche Rentekammer in Kopenhagen. Diese Darstellung wurde offensichtlich Grundlage für die spätere Veröffentlichung Rauerts aus dem Jahre 1840. Erst Helmut Trede veröffentlichte im Jahr 2005 dieses Werk und machte es damit für weitere Auswertungen zugänglich. Die Angaben sind außerordentlich detailreich und bieten ein großes Potential für die Lokalgeschichtsforschung. (s. Literaturliste)
Die Beziehung von Hennings zu Graf Reinhard, dem Mann seiner Nichte, blieb bei den seltenen Treffen, die noch möglich waren, gut, wurde aber höchst diplomatisch, wenn es um Politik ging. Reinhard war während des ersten Koalitionskrieges französischer Gesandter in Hamburg gewesen, sollte jetzt aber Gesandter Napoleons bei dessen Bruder Jerome, dem König von Westfalen, werden. Daher vertrat dieser teils völlig entgegengesetzte Interessen zu Hennings, der die Hamburger und dänische Seite einnahm. Für die Hamburger und Holsteiner war das Verbot jeglicher Schifffahrt eine Katastrophe. Daher blühte der Schmuggel mit Kaffee und Baumwolle auf den Verbindungswegen zwischen den Häfen Husum und Tönning mit Hamburg. Handelshäuser, wie das der Sievekings, brachen zusammen.
Napoleons Niederlage in Russland: Nachdem der ursprünglich noch mit Frankreich verbündete russische Zar Alexander die Kontinentalsperre gegen England aufhob, begann Napoleon im Juni 1812 unter Beteiligung des (deutschen) Rheinbundes einen Feldzug gegen Russland, der nach dem Brand Moskaus, das als Winterquartier der Eroberungsheere dienen sollte, in einer verheerenden Niederlage endete.
Feindliche Einquartierungen nach der französisch-dänischen Niederlage
Russen besetzen Hamburg: Die Niederlage der Grande Armée in Russland führte auch in Holstein und Hamburg zu einem Stimmungswechsel. Am 24.02.1813 kam es zu einem Aufstand und Morden an französischen Douaniers zwischen Altona und Hamburg. Am 12.03.1813 zogen sich die Franzosen plötzlich zurück und russische Truppen unter Oberst Tettenborn, einem Deutschen aus Baden, zogen unter großem Jubel der Bevölkerung ein.
Im gleichen Jahr besetzten russische Truppen auch Elmshorn.
Franzosen kehren zurück und bauen Hamburg zur Festung aus: Jetzt wurde eine Hanseatische Legion aus Freiwilligen Hamburgern und Lübeckern gebildet, die gegen die Franzosen ins Feld ziehen sollten. Tettenborn ließ sich persönlich die Befreiung Hamburgs mit 5000 Louisdors bezahlen, verschwand aber mit seinen Truppen aus der Stadt, als die Franzosen unter Marschall Davout zur Rückeroberung schritten. Dänemark hatte 1813 auf die falsche Karte gesetzt. Um nicht Norwegen zu verlieren, schloss es sich wieder Frankreich an. Als die Russen und Preußen aus Hamburg abgezogen waren, besetzten dänische Truppen die Stadt, um die Franzosen wieder hereinzulassen. Davout errichtete ein hartes Zwangsregiment und bestrafte Hamburg durch Auferlegung von Kontributionen in Höhe von 48 Millionen Francs, die er in Form der Silberbarren der Hamburger Bank beschlagnahmte. Nach der gewonnenen „Völkerschlacht bei Leipzig“ rückten schwedische und preußische Truppen gegen Holstein vor und russische Truppen schlossen Hamburg ein. Die Stadt wurde entsprechend dem damaligen Kriegsrecht wieder – unter Zwangsarbeit der Bevölkerung – zur Festung ausgebaut, in den Vororten wurden die Häuser abgebrochen und die Bäume abgeholzt, um ein übersichtliches Schussfeld zu bekommen. Alle Kirchen wurden Pferdeställe, alle Bürger mussten sich für 6 Monate verproviantieren. Wer das nicht konnte, wurde an 24.Dezember 1813 aus der Stadt ausgewiesen. Das betraf mehrere Tausend Menschen, die aus ihren Häusern geholt, die Nacht über in der Petrikirche festgehalten und dann bei strenger Kälte aus der Stadt getrieben wurden. Altona nahm zwar die Vertriebenen auf, aber 1138 von ihnen starben an Kälte und Untererenährung. Davout sollte Hamburg so tatsächlich bis zur Abdankung Napoleons verteidigen. Im August 1813 traten England, Schweden und Österreich dem Bündnis der Russen und Preußen bei. Am Ende des Krieges, als Napoleon in Russland und auf den übrigen Schlachtfeldern geschlagen war, kämpfte 1813/14 eine russisch-preußisch-schwedische Armee auch in den Herzogtümern gegen Dänemark, das in kurzer Zeit besiegt wurde. Am 30. Mai 1814 verließen die letzten französischen Besatzungssoldaten die katastrophal zugerichtete Stadt. Klessmann, S.311-329)
Koalitionstruppen in Barmstedt: Von Rantzau und Barmstedt aus, wo einige Flüchtlinge Zuflucht gesucht hatten, soll man den Feuerschein der brennenden Häuser des Hamburger Randgebietes gesehen haben. Hennings Sohn Wilhelm war als Soldat auf die antifranzösische Seite gegangen und rückte jetzt mit dem Feldbatallion Lauenburg gegen die Dänen in Holstein vor. Diese Koalitions-Truppen fluteten auch über Barmstedt hinweg, um die dänische Festung Glückstadt einzuschließen. Am 1. Januar 1813 kamen feindliche englische Husaren mit 4000 Mann nach Barmstedt und Großendorf. Da sie sich in Feindesland sahen, brandschatzten sie den Ort und erbeuteten dabei 1200 Mark. Am 5. Januar wurde nach 14 Tagen Belagerung Glückstadt übergeben. (Brockmann) Am 9. Dezember 1813 rückten schwedische Husaren in Barmstedt und Rantzau ein. Von jetzt an bis in den Februar mussten die Bewohner die Einquartierung und Verpflegung der Truppen hinnehmen. Nach den Schweden kamen die Russen, dann die Preußen, schließlich wieder Engländer, Hannoveraner und die Hanseatische Legion. In Rantzau ließen sich die Offiziere und Generäle auftischen und die Betten machen, in den anderen Häusern die „Gemeinen“. Sie fühlten sich im Feindesland und sangen nationale Befreiungslieder von Theodor Körner, der als Mitglied des auch hier einquartierten Lützowschen Freikorps, erst wenige Monate vorher gefallen war. Als die Einquartierungen endlich beendet waren, folgte eine Typhusepidemie, der viele zum Opfer fielen. (Ritschl, S.167ff)
Im Frieden von Kiel vom Januar 1814 musste Dänemark auf Norwegen verzichten, so dass die seit 1380 bestehende Personalunion beider Länder aufgelöst wurde. Norwegen fiel jetzt an Schweden, das seinerseits Finnland an Russland hatte abgeben müssen. Außerdem musste Dänemark Helgoland an England abtreten. Dafür erhielt es das ehemals schwedische Vorpommern, gab es aber 1815 weiter an Preußen, wofür es wiederum das Herzogtum Lauenburg erhielt. Das Wirtschaftsleben im dänischen Gesamtstaat war am Ende des Krieges vollkommen zerrüttet, der Staat seit 1813 bankrott. (Bohn, S.87)
1814 wurde eine Allgemeine Schulordnung in Holstein mit Schulpflicht für alle Kinder sowie eine reglementierte Ausbildung und Entlohnung der Lehrer eingeführt.
Verbannung Napoleons nach Elba und Herrschaft der hundert Tage: Paris wurde im März 1814 von russischen und preußischen Truppen eingenommen. Der russische Kaiser und der preußische König zogen mit Paraden unter Jubel ein. Der Senat erklärte Napoleon für abgesetzt und berief Ludwig XVIII. als neuen König. Napoleon Bonaparte wurde jetzt die Insel Elba zugewiesen, von wo er allerdings am 1. März 1815 nach Paris zurückkehrte und die Macht zurückerlangte. Die Kriegsgegner hatten in Wien bereits mit Verhandlungen über die Neuordnung Europas begonnen und griffen nun erneut Frankreich an. Nach anfänglichen Erfolgen unterlag Napoleon in der Schlacht bei Waterloo (Belgien) den englischen Truppen unter Wellington und den preußischen unter Blücher. Nach seiner erneuten Abdankung im Juni 1815 wurde der Korse auf die Süd-Atlantikinsel St. Helena verbannt, wo er 1821 starb. 1840 wurden seine Überreste nach Paris in den Invalidendom überführt und dort in einem Sarkophag aufgebahrt.
Nach 1815 – die Zeit von Verfassungsdebatte, entstehendem Nationalismus und beginnender Industrialisierung
Auf dem Wiener Kongress 1815 wurde nach der endgültigen Niederlage Napoleons eine Neuordnung Europas beschlossen. Diese Niederlage wurde gleichzeitig auch zu einem Sieg der konservativen Monarchien und Fürstentümer über die Ideen der Französischen Revolution. Auf dem Kongress wurden die Forderungen nach politischer Freiheit und sozialen Rechten zurückgeschraubt auf den Anspruch der Völker auf gewisse parlamentarische Mitbestimmungsrechte in weiterhin monarchischen Staaten. Die neue Staatenordnung sah vor, dass Preußen von Dänemark Schwedisch-Pommern mit Rügen im Tausch gegen das Herzogtum Lauenburg erhielt. Weil Preußen außerdem Westfalen und die Rheinprovinz erhielt, wurde es so zum Motor der wirtschaftlichen und politischen Einigung (Nipperdey). Hamburg, Lübeck und Bremen wurden wieder souveräne Stadtstaaten und aus dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg wurde das in Personalunion mit England verbundene Königreich Hannover. Dänemark, das Napoleon zu lange unterstützt hatte, musste im Frieden von Kiel Norwegen an Schweden abtreten. Das von Großbritannien eroberte Helgoland blieb in dessen Besitz.
Europa nach dem Wiener Kongress: Als Ersatz (nicht Rechtsnachfolger) für das 1804 zu Ende gegangene Heilige Römische Reich Deutscher Nation wurde der Deutsche Bund aus 41 souveränen Staaten und Freien Städten mit Osterreich als Präsidialmacht gegründet. Es sollte der Sicherheit nach außen und innen dienen. In der Bundesakte, dem Gründungsdokument des Deutschen Bundes, verpflichteten sich die beteiligten Fürsten und Städte auf eine Verfassung mit bürgerlichen Freiheiten. In der Bundesversammlung war der dänische König für seine Herzogtümer Holstein und Lauenburg vertreten, womit er völkerrechtlich verbindlich das Inkorporationspatent von 1806 zurücknahm. Darüber hinaus gründeten die Monarchen von Preußen, Österreich und Russland die Heilige Allianz, die als wesentliches Ziel der Restauration der monarchischen Machtverhältnisse dienen sollte, also antirevolutionär war. Der dänische König hatte zwar eine Innenpolitik gefördert, die die Ideale der Revolution teilweise aufnahm, vertrat aber weiterhin eine absolutistische Staatsauffassung. Der von seinen schleswig-holsteinischen Mitpatrioten nach Wien gesandte Adam Gottlob Moltke wollte seinem König die Forderung nach einer freiheitlichen Verfassungsforderung überreichen, wurde von diesem jedoch gar nicht erst vorgelassen. (Degn, S. 203)
1819 wurden vom Bundestag die Karlsbader Beschlüsse verabschiedet, die Exekutionsordnung, das Universitätsgesetz, das „Preßgesetz“ und das Untersuchungsgesetz, womit öffentliche schriftliche Meinungsfreiheit und die Burschenschaften verboten wurden, die Universitäten überwacht, die Turnplätze geschlossen, die Zensur der Presse eingeführt bzw. verschärft und liberale und national gesinnte Professoren entlassen wurden, sofern sie ihre Einstellungen ihren Schülern mitteilten. Alle Veröffentlichungen unter 20 Bogen, d.h. 320 Seiten unterlagen einer Vorzensur, umfangreichere Schriften mussten sich einer Nachzensur unterziehen. Diese Beschlüsse griffen tief in die Rechtstraditionen der einzelnen Staaten ein, wurden jedoch nicht überall veröffentlicht. Auch im Herzogtum Holstein waren jetzt liberale und nationale, v.a. demokratische Gedanken und Konzepte. Sie galten als aufrührerisch und wurden als Volksverhetzung hart bestraft. Unter diesen „Demagogen“verfolgung hatten Menschen verschiedenster Auffassungen zu leiden, u.a. Ernst Moritz Arndt, Karl Marx, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Hans Ferdinand Maßmann, Christian Sartorius, Georg Büchner, Fritz Reuter, Friedrich Ludwig Jahn. Die von Letzterem ins Leben gerufenen Turnvereine wurden (bis 1842) verboten, weil der Anlass für die Karlsbader Beschlüsse die Ermordung Kotzebues durch den Turner und Burschenschafter Karl Ludwig Sand im Jahre 1818 gewesen war. Sand wurde nach seiner Hinrichtung 1820 zu einer Ikone des Vormärz.
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts fand – zunächst im Bereich von Technik und Wirtschaft – ein Modernisierungsprozess statt, der von England ausgehend jetzt auch in den Herzogtümern langsam an Fahrt gewann. Nach den Kriegsjahren kam es in den 1820er Jahren langsam zu einer wirtschaftlichen Wiederbelebung im Zeichen der Frühindustrialisierung. Allerdings waren die Verhältnisse gegenüber Preußen, Sachsen und Großstädten wie Hamburg noch sehr rückständig. Die Agrarkrise infolge der Bauernbefreiung und der napoleonischen Kriege wurde überwunden und besonders durch die Verkehrsrevolution konnte der landwirtschaftliche und gewerbliche Absatz, aber auch die überregionale Versorgung der Märkte mit modernen Waren aus industrieller Produktion stark gesteigert werden.
Ab 1819 fuhr mit der Calendonia das erste Dampfschiff zwischen Kopenhagen und Kiel und 1827 wurde die erste Dampfschifflinie zwischen Hamburg und Glückstadt eingerichtet. Die Dampfschiffe fuhren schneller, waren weniger vom Wetter abhängig und konnten so mehr Personen und Güter transportieren. Das katastrophale Straßennetz, das nur aus kaum befestigten Wegen bestand, erhielt nach und nach durch Chausseen sichere und schnellere Achsen. 1832 wurde die erste moderne gepflasterte Straße in den Herzogtümern gebaut. Sie führte von Altona über Quickborn und Bramstedt nach Kiel und sollte die Transitstrecke von Kopenhagen nach Altona ergänzen, so dass der wichtigste dänische Ausfuhrhafen besser erreicht werden konnte. Ab Anfang der 1840er Jahre wurde dann der Transport durch Eisenbahnlinien revolutioniert. Die erste Eisenbahn fuhr ab 1844 zwischen Altona und Kiel auch durch Elmshorn. Dadurch wurde der Warenaustausch gefördert, neue Absatzmärkte erschlossen, Manufakturen und später Fabriken ermöglicht und die Mobilität der Menschen immens gesteigert. Gleichzeitig verdoppelte sich die Bevölkerungszahl im Laufe des Jahrhunderts von 600.000 im Jahr 1803 auf 1,2 Millionen 1890 an.
Die erste Dampfmaschine in den Herzogtümern wurde 1824 in der Textilfabrik Renck in Neumünster aufgestellt und der erste industrielle Großbetrieb entstand 1827 mit der Carlshütte in Büdelsdorf bei Rendsburg. Das für industrielle Investitionen notwendige Kapital kam kaum aus der Landwirtschaft. Hier wurde es eher für die Vergrößerung der eigenen Betriebe angelegt. Banken gab es in der ersten Hälfte des Jahrhunderts nicht, lediglich Sparkassen. Aber diese befassten sich nicht mit Industriefinanzierung. Lediglich im Handel und bei Handwerkern konnte solches „Wagniskapital“ gewonnen werden und in zunächst einzelnen Projekten angelegt. (Wulf, S. 53)
Grafschaft Rantzau und Barmstedt ab 1815
Walfänger aus der „Grafschaft Rantzau“ vor Grönland: 15 Elmshorner Bürger kauften 1816 für 15.000 Courant Mark die Bark „Flora„, um mit ihr ab 1817 Fahrten in die grönländischen Gewässer zum Walfang zu unternehmen. Außer der „Flora“ fuhren noch drei weitere Fangschiffe von Elmshorn aus. Der Walfang wurde wegen des Trans v. a. als Lampenöl, aber auch für Seifen, Salben, Suppen, Farben, Gelatine oder Fette und der Barten wegen des Fischbeins für die elegante Mode für 50 Jahre ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Elmshorn. Aber auch in Barmstedt wurde der Erfolg der Flotte genau beobachtet. Der Lehrer J.J. Brockmann notiert in seinem Tagebuch für 1819: „Auch dieses Jahr haben die Grönländer nicht viel gefangen.“
Allerdings war die Befahrbarkeit der Krückau von Elmshorn bis zur Elbe durch die vielen Schleifen – u. a. die Kruck – und die Verschlickung wegen der Tide stark beeinträchtigt. Daher wurde in den Jahren 1827 bis 1829 nach Empfehlungen einer Kommission „der Au eine Tiefe von 5 ½ Fuß unter ordinairer Fluth bei 23 Fuß Bodenbreite“ gegeben, damit eine störungsfreiere Schifffahrt möglich wurde. Die ebenfalls geforderte Begradigung fand aber nicht statt, so dass das Problem kaum gelöst wurde. Darum erließ die schleswig-holsteinische Regierung auf Gottorf 1837 die erste „Wasserstraßenordnung“ für die Krückau. Die Oberaufsicht wurde „der Rantzauer Administratur, die Feststellung und die Behebung von Mängeln der Elmshorner Kirchspielsvogtei übertragen.“ (Danker-Carstensen, S.6) Aber erst nachdem Schleswig-Holstein zur preußischen Provinz geworden war, wurden entscheidende Verbesserungen vorgenommen
Auch auf Rantzau und in Barmstedt wurden nach Kriegsende wichtige öffentliche Baumaßnahmen, die man lange hatte aufschieben müssen, durchgeführt.
Neben der alten Rantzauer Wassermühle entstanden 1815 ein neues Müllerhaus und die Mühlenscheune. Auf dem Bild links steht das Müllerhaus hinter dem alten Mühlengebäude, die Scheune sieht man auf dem zweiten Bild neben dem Wehr, mit dem der Krückaupegel reguliert werden konnte. Leider stehen heute beide Gebäude nicht mehr. Das Müllerhaus wurde nach einem Orkan 1962 abgerissen und die Scheune wegen Baufälligkeit im Jahr 1970. Beide Häuser waren reetgedeckt und im Fachwerkbau errichtet. Über der Grootdör des Müllerhauses war eingeschnitzt: FR VI (Friedrich VI.) den 14ten Seot.1815. Beide Gebäude und die Mühle lagen an der kopfsteingepflasterten, von der Hölzung her kommenden und am Schlossgraben entlang führenden Landstraße, die zwischen ihnen hindurch nach Bevern und Pinneberg führte. Geradeaus ging es nach Heede. (Trede 2011, S.33ff) Auf dem Bild rechts sieht man die Zugbrücke, die noch bis in die 1830er Jahre existierte und jeden Abend vom Pförtner hochgeklappt wurde.
Kurze Zeit später erneuerte Johann Voß die Krückaubrücken in der Austraße (1822) und über die Schleusenau am Beverdamm (1823). (Brockmann)
Eine weitere wichtige Baumaßnahme fand auf Rantzau statt. Das Amtsverwalterhaus war schon seit Jahrzehnten offenbar in einem sehr schlechten Zustand. Sowohl der Legationsrat Hasse als auch sein Nachfolger von Straten schrieben eindringliche Briefe über ihre Dienstwohnung an die Rentekammer. (Trede 2011, S. 19ff) Im Jahr 1824 endlich – nachdem von Straten gegangen war – wurde ein Neubau errichtet, das oben abgebildete und seit der preußischen Zeit so bezeichnete Gerichtsschreiberhaus.
Im Flecken Barmstedt wurde 1820 nach dem Vorbild des Präbendenstifts in Elmshorn ein neues Armenhaus erbaut, mit 8 Wohungen bzw. Zellen, allerdings ohne Kapelle und Glockenturm. Auf dem gleichen Grundstück befand sich bis 2012 das Seniorenheim Brunnenstraße. (J. J. Brockmann).
1826 reichte die bisherige Schule im Organistenhaus neben der Kirche nicht mehr aus. Hier war seit über hundert Jahren die Kirchspielschule gewesen, der jeweilige Lehrer war immer auch gleichzeitig Organist, ebenso hatte der Küster im 18. Jahrhundert mit zu unterrichten. Die Oberaufsicht lag bei den Pastoren als Schulvisitatoren. Es ging allerdings damals um nicht mehr als ums Buchstabieren, die Anfangsgründe des Lesens und Schreibens, etwas Rechnen und die Unterrichtung im Katechismus. Zudem fand Schule für die meisten Kinder nur im Winter statt. Die zentrale Rolle für das Kirchspiel hatte die Barmstedter Fleckensschule aber inzwischen verloren, weil alle Dörfer ihre eigenen Schulen gebaut hatten. Aber jetzt war durch das Anwachsen der Kinderzahl auch in Barmstedt und Großendorf eine Platznot entstanden, die auch durch Einrichtung einer Extraklasse in einem Privathaus nicht mehr sinnvoll ausgeglichen werden konnte. Die neue Schulverordnung von 1826 sah deshalb vor, dass die Schulanstalten „künftig bestehen 1. aus einer Aufsichtsschule für Kinder bis zum vollendeten 6. Jahre, 2. einer Elementarschule, 3. einer höheren Knaben- und Mädchenschule“. Die Aufsichtsschule für die Vorschulkinder wurde nicht verwirklicht, aber für die Kinder vom 6. bis zum 10. Lebensjahr wurde ein neues Schulhaus gebaut, nämlich das Elementar-Schulhaus in der Reichenstraße (dort, wo heute der Parkplatz an der Abzweigung der Feldstraße liegt) und am 18.10.1827 seiner Bestimmung übergeben. Es enthielt ein Klassenzimmer und zwei Wohnungen für den zweiten Hauptlehrer und den Elementarlehrer. (Dössel, Unsere Schulen, S. 106) 1830 begann hier J. J. Brockmann seine Tätigkeit als Gehilfe (Hilfslehrer) und verfasste im Laufe seiner Barmstedter Jahre eine Chronik wichtiger Ereignisse, die für die Lokalgeschichte von großem Interesse ist. Das Haus wurde im Laufe der Zeit wohl mehrfach erweitert, um u. a. Platz für den Fleckenschreiber zu schaffen. Als Schule wurde es 1891 durch den Bau eines neuen, sehr viel größeren Schulgebäudes „Auf dem Akker“, also nicht weit entfernt, überflüssig und erhielt eine neue Aufgabe als Fleckensverwaltung bzw. Bürgermeisteramt. 1931 zog die Stadtverwaltung dann um in die Bahnhofstraße, das Haus an der Reichenstraße wurde von jetzt an zu unterschiedlichsten Zwecken genutzt, z. B. von der „Beratungsstelle für Säuglingspflege“ in Verbindung von Gemeindeschwester und Evangelischer Frauenhilfe. Dabei wurden u. a. Wanderkörbe mit Babywäsche ausgeliehen. Ab 1935 musste diese Arbeit an die NS-Frauenschaft abgegeben werden. Kurz vor dem Abriss des Gebäudes im Jahr 1971 wurde hier noch einer der ersten Tatort-Krimis „Blechschaden“ mit Kommissar Finke gedreht. Zur Orientierung über die Örtlichkeiten siehe unten den Stadtplan von 1834
Die zunehmende Armut und die Verpflichtung, den Unterhalt der betroffenen Menschen aus der Gemeindekasse zu bezahlen, veranlasste einige Honoratioren des Fleckens, den Gedanken der Sparkasse aufzugreifen. Seit 1778 gab es bereits die 9. Klasse der Hamburger Versorgungsanstalt, 1801 wurde in Altona eine ähnliche Einrichtung geschaffen. Aber während in England dieser Gedanke schnell um sich griff, blieben die holsteinischen ländlichen Regionen ablehnend. Die Patriotische Gesellschaft in Hamburg entwickelte daraufhin eine Kampagne mit der englischen Werbeschrift annalo of banks for savings und ließ sie in allen größeren Gemeinden verteilen. Nachdem auch Itzehoe eine erste Sparkasse gegründet hatte, war Barmstedt schon 1821 dabei. Die anderen Orte des heutigen Kreises Pinneberg folgten erst mit großem Abstand: Uetersen 1827, Pinneberg 1828, Elmshorn 1838, Wedel 1876, Hörnerkirchen 1895. Es waren nicht Kaufleute, die die Initiative ergriffen, sondern die Pastoren Chemnitz und Mielck, der Arzt Dr.med.Venndt und der Administrator von Hennings. Das Vorwort zum Plan der Spar- und Leih-Kasse im Flecken Barmstedt zeigt deutlich, dass nicht Wirtschaftsförderung, sondern soziale Vorsorge Pate gestanden hatte:
„Durch die Spar-Kasse soll denjenigen, welche auf die Zeiten der Krankheit und des Alters Bedacht nahmen, und sich der Sparsamkeit befleißigen, Gelegenheit gegeben werden, ihr Erspartes sicher unterzubringen; es soll dadurch verhütet werden, daß sie nicht um das Geld kommen, was sie erübrigt haben, und daß es ihnen nicht geht wie denjenigen, welche ihre zusammengebrachten Kapitale an Andre auf Zinsen ausgeliehen haben, des Geldes verlustig gegangen sind, und in ihren kranken und alten Tagen haben Mangel leiden und zur Armenkasse ihre Zuflucht nehmen müssen; es soll dadurch die häufigen Verarmungen und die vielen Ausgaben an die Armen-Kasse vermindert werden; es soll dadurch die Erfahrung erlangt werden, daß die Sparsamen es besser haben als diejenigen, welche ihr Geld unnützer und sündlicher Weise verthun.“ (Dössel, S. 157)
1824 wurde eine neue Kirchenverordnung erlassen: „Alles Weltliche wird nicht mehr von der Kanzel verkündet, sondern vor der Turmtür an den Turm geschlagen“. Im Jahr darauf besserte man im Sommer den Kirchturm aus und malte die Uhrscheibe aus. (Tagebuch J. J.Brockmann)
Im Jahre 1825 erhielt Barmstedt die erste Extrapoststation unter der Regie des Brandgilde- und Kirchspielschreibers Naesemann. Das bedeutete, dass von jetzt an regelmäßig Postkutschen in alle Richtungen verkehrten, mit festen Preisen für die Reisenden. Als Ziele werden in der Königlichen Resolution genannt: Kellinghusen, Pinneberg, Bramstedt, Itzehoe, Ulzburg, Elmshorn, Glückstadt über Geest oder Marsch, Segeberg, Oldesloe und Uetersen. (Dössel 1988, S.166ff)
Für 1825 führt J.J. Brockmann in seinen Tagebuchaufzeichnungen an:
„Den 2. – 3. Februar ist ein Sturm mit solcher Flut gewesen, daß sehr viel Marschland überschwemmt und untergegangen ist. Viel Vieh und auch Menschen sind ertrunken. In Elmshorn war 6 Fuß Hochwasser. Mehrere Häuser und Brücken sind fortgetrieben. Der Deich hatte 15 Brüche. Ein Gewitter hat in den Rellinger Kirchturm eingeschlagen. 9. August hat sich ein Jud im Gefängnis auf Rantzau erhängt. Diesen Sommer ist der Barmstedter Kirchturm ausgebessert und neu angemalt; auch ist die Uhrscheibe neu ausgemalt. 21. November sind Bäume auf dem Marktplatz gepflanzt. 21. November haben wir Ludwig Vasmer zum Polizisten erhalten.„
Der Streit zwischen Hennings und von Straten war nach Verleumdungen im Jahr 1816 bis zur Duell-Forderung, von von Straten zum Mordüberfall hochstilisiert, gediehen und überschattete die durch viele Tode in der Familie Hennings getrübte Zeit. Jetzt aber gab Hennings noch einmal ein größeres schriftstellerisches Werk heraus, das dem in den folgenden Jahrzehnten zunehmenden Rückbezug auf die nationale Geschichte vorgreifen sollte. Die Deutschen, dargestellt in der frühesten Vorzeit, aus den dürftigen Quellen der Geschichte und weit umfassenden Taten ist ein frühes Zeugnis historisch orientierter Germanenkunde, das die antiken Darstellungen neu bewertet und z.B. die Hyperboräer mit den Germanen identifiziert und die Sage von Atlantis auf ein untergegangenes Land in der Nordsee bezieht. Im übrigen hatte Hennings, inzwischen über 70, zu arbeiten. Pensionierungen gab es für königliche Beamte nicht. Seine Aufgaben waren: zweimal wöchentlich Gericht halten, die Sitzungen des kirchlichen Konsistoriums leiten, Kirchen visitieren, die Landesverwaltung ausüben. Dadurch hatte er auch nach dem Tod des 93-jährigen bisherigen Propstes Valentiner mit der Einführung von dessen Nachfolger Peter Christian Weller im Jahr 1817 zu tun. Die bisher freie Propstei wurde jetzt der königlichen Generalsuperintendentur unterstellt. Auch offizielle Anlässe, wie die Begleitung des Königs Friedrich VI., wenn er auf seiner Reise durch Holstein in Elmshorn haltmachte, gehörten zu Hennings Aufgaben, die er sehr gerne erfüllte, da er diesen reformwilligen König verehrte. (Ritschl, S.194) 1824 heiratete seine jüngste Tochter in der Barmstedter Kirche und auf Rantzau den späteren Hamburger Bürgermeister Friederich Sieveking, bei der es bei einem Böllerschuss durch die zerplatzende Kanone des Müllers zu einem Todesfall kam. (Brockmann)
Im Vorjahr war Hennings endlich seinen Widersacher von Straten los geworden. Dieser hatte sich auf die Stelle eines Amtsverwalters nach Ahrensbök beworben und wurde im Oktober 1823 berufen. Unmittelbar vorher jedoch, am 12. September, hatte er nach 22 Jahren als Amtsverwalter eine beachtliche Arbeit von 738 handschriftlichen Seiten über die Administratur der Grafschaft Rantzau an die Königliche Rentekammer in Kopenhagen geschickt. Möglicherweise hat dieses Werk auch eine entscheidende positive Rolle für seine Bewerbung in Ahrensbök gespielt, sicher aber ist, dass es für das Weiterkommen eines späteren Amtsverwalters eine große Rolle spielte. M.H.T. Rauert hatte nämlich dieses Manuskript offenbar als Grundlage für sein berühmtes Buch „Die Grafschaft Rantzau“ von 1840 benutzt – ohne ihn allerdings in der Literaturliste zu nennen. Hierin bewies er eine überaus große Kenntnis der Verwaltungsmaterie der Grafschaft, obwohl er nur in der Zeit von 1834 bis 1837 als Sekretät hier gearbeitet hatte. (s. Vorwort Helmut Tredes in: thor Straten, S.3). Nachfolger thor Stratens wurde 1824 ein Herr Göhlin.
Am 17. Mai 1826 starb August von Hennings nach längerer Krankheit und wurde – ohne kirchliche Feier, aber mit einer Gedenkrede seines Freundes Pastor Mielk – auf dem Friedhof an der Kirche, damals „Ruhe Hoff“ genannt (s. Karte Mangels unten), begraben. Brockmann schreibt dazu in seinem Tagebuch:
„14. Mai ist der Hochwohlgeb. Herr, Kammerherr August v. Hennings auf Rantzau in den Tod gegangen, ca. 82 Jahre alt. Er ist den 21. Mai des Morgens um 6 Uhr beerdigt ohne Glockengeläute, der Sarg war ganz einfach. Auf dem Elmshorner Totenwagen ward der nach dem Kirchhof gefahren.„
Der abgebildete Grabstein von Hennings stand nach Aufhebung des Kirchhofs 1844 zunächst an der Kirchenmauer, wurde später auf den neuen Friedhof an der Ohe (später Moltkestraße) versetzt und liegt jetzt neben dem „Torhaus“. Der alte Kirchhof war wegen der zunehmenden Bevölkerung bei nicht erweiterbarem Platz völlig überfüllt, so dass Särge übereinander gestellt werden mussten, wobei „der oberste oft nur mit einem Fuß Erde bedeckt wird; sind aber schon 2 Särge in einer Gruft, so bleibt nichts anders übrig, als daß der untere, falls es noch nicht geschehen, zusammengestoßen, und der obere wieder versenkt wird, um den dritten Sarg darauf zu setzen.“ (Rauert, S. 106) Die Beerdigungen fanden im 19. Jahrhundert im Übrigen meist ohne kirchliche Mitwirkung statt. Nach der Gemeindechronik von 1896 wurden noch 1876 höchstens 10 % der Leichen mit Begleitung bestattet.
Administrator Hans Christian Diedrich Victor von Levetzow 1826-1829
Die Einsetzung des neuen Administrator von Levetzow würdigte Brockmann mit folgendem Eintrag:
„2. Oktober ist Herr Exzellenz Lewezow nach Rantzau gekommen. Es waren ihm die Gevollmächtigten, die Vögte und 20 Mann Barmstedter entgegengeritten zur Grenze, ebenfalls die reitende Garde aus Elmshorn (ungefähr 20 Mann) und die Fußgarde von Rantzau, und nahmen den Herrn mit voller Musik in Empfang.„
Revolutionäre Zeiten ab 1830
In Frankreich kam es im Juli 1830 zu einer erneuten Revolution gegen den letzten Bourbonenkönig Karl X., nachdem dieser die Abgeordnetenkammer auszuhebeln versucht hatte und die soziale Krise der einsetzenden Frühindustrialisierung breite Kreise der unteren Schichten zum Aufstand brachte. Nach der Flucht Karls nach Großbritannien wurden die Barrikadenkämpfe der proletarischen Unterschichten schnell unterdrückt und der „Bürgerkönig“ Louis-Philippe eingesetzt. Die Durchsetzung einer republikanischen Verfassung scheiterte an der Sorge vor einer Intervention der Heiligen Allianz. Die Revolution hatte – wie die von 1789 – starke Ausstrahlung auf ganz Europa und förderte überall liberale und demokratische Strömungen. Auch nationale Tendenzen wurden gleichzeitig immer stärker. Die Griechen hatten von 1821 bis 1830 in einem Unabhängigkeitskampf gegen das Osmanische Reich ihre nationale Souveränität errungen. Die südlichen Niederlande trennten sich ab vom Norden und gründeten jetzt den – allerdings aus zwei Völkern bestehenden – Staat Belgien. Polen konnte sich für 3 Jahre von der russischen Herrschaft befreien.
Administrator Otto Johann von Stemann 1829-1849
Im Oktober 1829 starb der Geheime Konferenzrat Lewezow auf Rantzau. Auch sein Grabstein liegt neben dem Torhaus des früheren Friedhofs an der Moltkestr. Als Nachfolger für den Administratorenposten trat im Januar 1830 der Kammerherr Otto Johann von Stemann sein Amt an und bekleidete es bis 1849.
Cholera-Epidemie: 1831 Cholera ist an mehreren Stellen von Europa. 6. September ist sie in Berlin ausgebrochen. Im September wurde bei Hamburg und an unseren Grenzen Cordon geschlossen zur Verfütung des Eindringens der Cholera. 9. Oktober kam sie in Hamburg, und unser Militär zog sich zurück bis Wedel, Rellingen, Rahlstedt, die Cordonlinie zu ziehen. Von Hamburg und der Cholera ist der Cordon zurückgezogen bis zur Eider und zum Kanal bei Kiel und Rendsburg. 23. November sind in jede Dorfschaft im Kirchspiel Barmstedt Medikamente und Wasserkrüge geschickt; ist aber nicht nötig gewesen.“ (J.J. Brockmann)
Vormärz: Auch in den Staaten des Deutschen Bundes einschl. Schleswig-Holstein wurden liberale und demokratische Ideen jetzt offen diskutiert und führten zu Aufständen, Regierungsstürzen, einigen Reformen und neuen Formen politischer Öffentlichkeit. Das wichtigste Ereignis dieser Epoche war das Hambacher Fest, eine 1832 als Volksfest getarnte politische Manifestation für Freiheit (Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit), Bürgerrechte, nationale Einheit, eine Neuordnung Europas auf der Grundlage gleichberechtigter Völker, Volkssouveränität und religiöse Toleranz. Über 30.000 Menschen aus allen Schichten und vielen europäischen Nationen zogen kilometerweit von Neustadt in der Pfalz auf die Hambacher Schlossruine. Zum ersten Mal wurden hier schwarz-rot-goldene Kokarden getragen als Symbol für Freiheit, Bürgerrechte und nationale Einheit. Wichtige Träger dieser Ideen waren damals die Burschenschaften. Als neue literarische Strömung entstand das Junge Deutschland, deren wichtigste Vertreter Heinrich Heine und Karl Gutzkow wurden. Ihre Schriften wurden bereits 1835 durch den von den Fürsten gebildeten Deutschen Bundestag verboten. Der wesentlich radikalere Dichter Georg Büchner schloss sich dieser Bewegung nicht an, da er eine Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse über die Literatur nicht für möglich hielt, sondern auf eine politische und soziale Revolution setzte. In seinem „Hessischen Landboten“ von 1835 prangerte er die Unterdrückungsmaßnahmen und Ausbeutung der unteren Schichten scharf an, weshalb er sich einer Verhaftung nur durch Flucht entziehen konnte und fortan steckbrieflich gesucht wurde.
Lornsen fordert „Schleswigholsteinische“ Verfassung: 1830 hatte nach ersten Unruhen der von den Fürsten gebildete Deutsche Bundestag in Frankfurt auch vom dänischen König energisches Vorgehen gegen revolutionäre Bewegungen und gemäß der Bundesakte des Deutschen Bundes eine landständische Verfassung gefordert. Daher traf die Flugschrift von Uwe Jens Lornsen mit der Forderung nach einer eigenen Verfassung für „Schleswigholstein“ und Verwaltungstrennung der Herzogtümer von Dänemark, also einen Doppelstaat, den Nerv der Zeit. Der eigentlich loyale dänische Untertan und Landvogt von Sylt vertrat hier zwar eine kritische Position gegenüber dem völlig unzeitgemäßen noch immer absolutistischen dänischen Verwaltungsstaat, aber gleichzeitig eine vermittelnde gegenüber der ganz deutsch ausgerichteten Haltung des Kieler Geschichtsprofessors und Sekretärs der Ritterschaft Friedrich Christoph Dahlmann. Dieser verlangte eine Verfassung für Schleswig-Holstein als Teil des deutschen Staatsverbandes. Staatsrechtlich war das problematisch, weil zwar Holstein, nicht aber Schleswig zum Deutschen Bund gehörte. Seit 1815 hatte sich aber sowohl auf deutscher als auch auf dänischer Seite die Verfassungsdiskussion mit der nationalen Frage verbunden, da notwendigerweise ein Grundgesetz in Bezug auf ein definiertes Territorium gelten muss. Daher wurden jetzt deutsche oder dänische Gesinnungen zu einem immer wichtiger werdenden Element in den heftiger werdenden publizistisch-politischen Auseinandersetzungen. Die Entwicklung der Printmedien und der Verkehrsmittel taten vieles dazu, dass die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen und neue politische Ideen aus den deutschen Ländern, Frankreich und dem übrigen Europa zu einer nicht mehr einzudämmenden Verfassungsdiskussion in akademischen und bürgerlichen Kreisen führte. Der Vorstoß Lornsens kostete diesen das Amt und ein Jahr Festungshaft, machte ihn aber nach seinem Freitod 1838 zum Märtyrer der deutschen Schleswig-Holstein-Bewegung. Auf dänischer Seite wurde von liberalen Kräften ebenso eine Beseitigung des Absolutismus propagiert und die Schaffung eines dänischen Nationalstaats gefordert. Diese Kräfte wurden die Eiderdänen genannt, weil sie das Herzogtum Schleswig bis zur Eider einbeziehen wollten. Ihr wichtigster Vorkämpfer war der Pastor und Pädagoge Nikolai Grundtvig, der Gründer der dänischen Volkshochschulen.
Verfassungszugeständnis im dänischen Gesamtstaat: 1831 ließ sich der dänische König Friedrich VI. angesichts dieses Drucks und zusätzlich der französischen Julirevolution zu einer halbherzigen Reform bewegen und gestattete für Holstein, Schleswig, Jütland und Inseldänemark jeweils eine Ständeversammlung. Jedoch war das aktive Wahlrecht nur vermögenden Männern christlichen Glaubens über 25 Jahre gestattet, das passive an das doppelte Vermögen und ein Alter von über 30 gebunden. Außerdem wurde durch diese Reform der Absolutismus nicht abgeschafft, denn das Parlament hatte nur beratende Funktion und tagte geheim.
Ständeversammlung in Itzehoe: Für Holstein trat diese Ständeversammlung zum ersten Mal 1835/36 in Itzehoe zusammen, danach in jedem zweiten Jahr. Mit Entstehen dieser ersten Parlamente war auch das Entstehen der Vorläufer erster Parteien verbunden. In Holstein wurden die Konservativen angeführt von Graf Reventlow-Criminil, die Linken, die eigentlichen Liberalen der damaligen Zeit, vom Itzehoer Advokaten Georg Löck. Letztere forderten u. a. Beschlusskompetenz für die Ständeversammlung, Steuerbewilligungsrecht und kommunale Selbstverwaltung. Daneben traten die bäuerlichen Abgeordneten für Verbesserung der bäuerlichen Lebensverhältnisse ein. (Schultz Hansen, S. 432)
J.J. Brockmann trägt 1834 hierzu ein: „25.-27.September sind die Wahlen zur Ständischen Versammlung gewesen und zwar in Pinneberg für den 8. Wahldistrikt Holstein. Abgeordneter der Ziegeleibesitzer J.C.Radbruch in Blinde mit 183 Stimmen, Stellvertreter der Deichgraf H. Witt in Holm mit 125 Stimmen.„
Außerhalb der Ständeversammlungen wurden die Petitionsbewegungen bedeutsam, sie durften aber keine Veränderungen von Verfassung und Staatsführung fordern. Die politischen Aktivitäten waren aber durch die Pressezensur und Einschränkungen des Versammlungsrechts stark eingeschränkt. Es gab nur wenige liberale Zeitungen, von diesen wurde hier v.a. das „Itzehoer Wochenblatt“ gelesen. Der „Altonaer Mercur“ war konservativ. Die Regierung duldete aber die Gründung von Bürgervereinen.
Zwischen 1830 und 1832 wurde die erste Chaussee in Schleswig-Holstein als Kunsttraße zwischen einem Ostsee- und einem Nordseehafen gebaut, die Kiel-Altonaer Chaussee, die heutige B4. Die Fahrzeit zwischen beiden Städten verkürzte sich damit von 16 auf 9 Stunden mit der Extrapost und nur 6 Stunden mit dem Kurier. Bezahlt wurde sie durch Erhebung von Gebühren an extra gebauten Chausseewärterhäuschen. Diese Kunststraße unterschied sich von den bisherigen Wegen durch Gräben neben dem Fahrdamm und eine Verschleißdecke, die durch Festwalzen unregelmäßiger Steine unter Sand- und Wasserbeigabe hergestellt wurde. Neben der Fahrbahn verlief ein Wirtschaftsweg für schwere Lasten, Vieh- und Pferdetransporte. (Lange, S.346ff) Die Planungen waren seit 1828 betrieben worden. Noch heute sind an einigen Stellen die alten Meilensteine zu sehen.
1833 Gründung des Textilhauses „Betten-Voss“ in der Riken Reie (Reichenstraße). Diese Barmstedter Traditionsfirma existierte bis 2003.
M. Mangels zeichnete 1834 die nebenstehende Karte von Barmstedt und Rantzau, die in ihrer Anschaulichkeit weit über die bisherigen hinausgeht. Allerdings ist die Straßenführung und die Größe der Bebauungen nicht ganz perfekt dargestellt. Die damaligen Straßennamen und Häuserbezeichnungen sind auf der Karte als Legende notiert und von uns in die Karte eingetragen. Mangels gab hier auch an, in wie vielen Häusern Bier gebraut oder Branntweit destilliert wurde! Die „Dodentwiet“ oder auch „Toten Twiet“ ist nach Brockmann im gleichen Jahr verbreitert worden. Weiterhin erhielt in diesem Jahr das Spritzenhaus zwei Seitentürme an beiden Enden. Die Feuerwehr hatte damals übrigens viel zu tun. Brockmann verzeichnet in seinem Tagebuch fast jährlich größere Brände.
Eine Volkszählung im Jahr am 1. Februar 1835 ergibt für Barmstedt 1.465 und für Großendorf 379 Einwohner. Die Zahl der Häuser im Jahr 1837 beträgt 151. Das bedeutet, dass im Durchschnitt mehr als 9 Personen in einem Haus wohnten.
1836 wurde das „uralte“ Pförtnerhaus am Eingang der Schlossinseln abgerissen. In ihm wohnte der Torwächter und Pförtner, der u.a. nachts die Zugbrücke hochzuziehen und allmorgendlich wieder herabzulassen hatte. Er war gleichzeitig Gerichtsdiener und Gefängniswärter – denn hinter seiner Kammer befanden sich sieben Arrestzellen – und betrieb längere Zeit eine eigene einträgliche Krugwirtschaft. Das neue Gebäude hatte wie das alte einen Dachreiter mit Glockenstuhl und Uhr. Das im hinteren Anbau befindliche Gefängnis hatte sechs Zellen und wurde noch bis 1927 benutzt. (Trede 2011, S.37ff)
Das Königreich Preußen gründete 1834 mit einigen Staaten des Deutschen Bundes den Deutschen Zollverein. Er war ein Zusammenschluss für den Bereich der Zoll- und Handelspolitik. Ihm gehörten zu Beginn neben Preußen das Großherzogtum Hessen, Kurhessen, Bayern, Württemberg, Sachsen und die thüringischen Einzelstaaten an. Bis 1836 traten Baden, Nassau und Frankfurt dem Zollverein bei. 1842 erweiterte sich das Zollgebiet um Luxemburg, Braunschweig und Lippe, 1854 folgten Hannover und Oldenburg. Holstein kam nach dem Deutschen Krieg von 1866 als preußische Provinz dazu, Hamburg und Bremen behielten bis 1888 ihre Freihäfen.
Die Göttinger Sieben: In Hannover bestieg 1837 Ernst August I. den Thron und beendete damit die 137-jährige Personalunion Hannovers mit England. Als er die relativ freiheitliche Verfassung von 1833 wieder aufhob, legten Professoren der Göttinger Universität, die Göttinger Sieben, zu denen auch die Gebrüder Grimm und Friedrich Christoph Dahlmann gehörten, scharfen Protest ein und wurden daraufhin ihres Amtes enthoben. Der Protestbrief wurde in ganz Deutschland veröffentlicht und förderte liberale Gedanken. Drei der Sieben, Dahlmann, Jacob Grimm und Gervinus, wurden sogar des Landes verwiesen, erhielten aber in einer Unterstützungsaktion Spenden, mit denen ihr Gehalt ersetzt wurde. 1840 wurden Dahlmann und die Brüder Grimm durch den neuen preußischen König Friedrich Wilhelm IV. empfangen und rehabilitiert, was die Illusion nährte, er würde den Liberalen, die inzwischen zu einer Massenbewegung geworden waren, entgegenkommen. Die geforderte gesamtstaatliche Verfassung lehnte er jedoch ab.
Das Kirchspiel Herzhorn, bisher zur Propstei Pinneberg, wurde 1837 in die Propstei Rantzau eingegliedert.
1839 wurde die Barmstedter Schützengilde gegründet.
Nach einer Inspektion der Schulen und des Kirchturms durch einen Baumeister wurden vom 10.-19. September 1839 Kirchturm und „Spöndach“ ausgebessert, der Turmhahn und Tienapfel vergoldet.
1839 starb der dänische König Friedrich VII, der keinen männlichen Erbprinzen hinterließ. Nachfolger wurde sein Neffe, Christian VIII.
In Barmstedt wurde dafür vom 3. Dezember (Todestag) bis zum 17. Januar täglich von 10 bis 12 und von 16 bis 18 Uhr geläutet. Während dieser Zeit durfte außerdem keine öffentliche Musik aufgeführt werden. (Brockmann)
Am 1. Februar 1840 fand in Dänemark und Schleswig-Holstein eine Volkszählung statt.
Barmstedt hatte demnach eine Bevölkerungszahl von 1608 Enwohnern. (Brockmann)
„1840 ist der Turm abgestützt und der Grundstein vom Kammerherrn Stemann gelegt und feierlich begonnen. Ein Felsen ist ausgehauen und in denselben eine kupferne Dose gelegt, in welcher auf Pergamentleder geschriebene Schrift sich befindet. […] Eine neue Turmuhr ist von Pein in Elmshorn gemacht. Der Kirchhof wird verlegt nach der Ohe, westlich an Barmstedt.“ (Brockmann)
Die Verlegung des Friedhofs von der Kirche nach der „Ohe“, der heutigen Moltkestraße, war dringend nötig. Denn die Bevölkerungszahl hatte stark zugenommen und schon in den 20er Jahren waren Beerdigungen nur noch möglich, wenn „Platz geschaffen“ wurde (s. v. Hennings Beerdigung im Jahr 1826). Es dauerte jedoch noch einge Zeit, bis der neue Friedhof tatsächlich genutzt werden konnte. Erst im September 1841 entstand hier das bekannte Torhaus nach dem Entwurf des Bausinspectors Meyer in Schleswig. Es diente gleichzeitig als Wohnung für den Friedhofswärter und „Kuhlengräber“, dessen Amt wahrscheinlich erst jetzt eingeführt wurde. Vorher war diese Funktion vom Küster mit ausgeführt worden. Trauerfeiern fanden in der Kirche statt, sofern überhaupt kirchliche Begleitung gewünscht wurde. Die Einweihung fand erst am 14. 7. 1844 statt. Normalerweise war der Tote bis zur Beerdigung zu Hause aufgebahrt, wo auch das Trauergefolge am offenen Sarg Abschied nahm. Der Sarg wurde dann auf den Schultern zum Friedhof getragen, wo er im Torhaus für einige Augenblicke abgestellt und dann zur offenen Gruft gebracht wurde. Die Dorfbevölkerung fuhr den Sarg auf Leiterwagen zum Friedhof. Das Schuhmacheramt schaffte 1868 den ersten schwarzumflorten Leichenwagen an, der in einer Remise am Marktplatz neben dem Spritzenhaus stand. Vorher war bereits in einzelnen Fällen der Elmshorner Leichenwagen ausgeliehen worden (z.B. v. Hennings). Erst 1905 gründete Hans Mohr, der Betreiber des Hotels „Zur Linde“, ein Bestattungsunternehmen mit eigenem Leichenwagen. Der Friedhof wurde 1872 erweitert, erhielt 1892 eine Friedhofskapelle im Stil der Zeit, konnte dann noch bis 1911 genutzt werden und wurde genau 50 Jahre später, am 1. Januar 1961, aufgehoben, woraufhin an dieser Stelle die Rentnerwohnanlage entstand. (Theilig 1988)
Am 21. April 1841, pachtete der bisher angestellte Rantzauer Müller Jakob Bornholdt die Rantzauer und Bokler Mühle für die Summe von 41.295 Rbthl. (=Reichsbanktaler) auf Erbpacht. (Brockmann)
Nach dem Tod des Fleckensgevollmächtigten Friedrich Brügge im Januar 1841 wurde Johann Querling wieder als Interimsgevollmächtigter eingesetzt. Auch der Gildeschreiber, Postmeister und Kirchspielschreiber Hasemann starb und musste ersetzt werden. Gildeschreiber wurde der bisherige Polizeireuter Stamerjohann, Postmeister wurde der Gevollmächtigte Brandt, Kirchspielsvollmachtschreiber der Advokat Starjohann. (Brockmann)
Matthias Heinrich Theodor Rauert und die 1840er Jahre in Barmstedt
Auf der Administratur Rantzau wurde 1834 die Stelle des Sekretärs beim Amtsverwalter frei. Unter Administrator von Stemann und dem Amtsverwalter Etatsrat Tornerup wurde von 1834 bis 1837 Matthias Heinrich Theodor Rauert angestellt. Er ist in der Barmstedter Region berühmt geworden für seine 1840 erschienene Monografie unter dem Titel „Die Grafschaft Rantzau. Ein Beitrag zur genaueren Landeskunde„. Dieses Buch wurde 1936 mit einem Vorwort von Hans Dössel und als Reprint noch einmal 1983 aufgelegt, da in ihm Geschichte, Größe und Grenzen der Grafschaft, natürliche Beschaffenheit des Bodens, die Moore, Produkte wie Getreide, Viehzucht, Wild, Fische, die Lebensweise der Einwohner: Wohlstand, Nahrung, Bewirtschaftung der Landstellen und vieles Weitere detailliert beschrieben wurde. Mit dieser Veröffentlichung empfahl sich Rauert in seiner „Vorrede“ als patriotischer Beamter für die Stelle des Amtsverwalters und konnte das Amt auch von 1843 – 1855 bekleiden.
Wir wissen u. a. durch die Veröffentlichung Helmut Tredes, dass dieses Buch aufgrund der großen Übereinstimmung von Gliederung und ausgebreitetem Material zu einem großen Teil aus dem 1823 an die königliche Kanzlei übergebenen voluminösen Bericht des oben beschriebenen Amtsverwalters thor Straten stammte und daher von Rauert redigiert, also aus einem gestelzten Kanzleideutsch in flüssige Sprache umgeformt, neu sortiert, aktualisiert und durch einige allerdings sehr interessante Teile ergänzt worden ist. Über den Flecken Barmstedt schreibt er: (Rechtschreibung modernisiert)
„Der Flecken Barmstedt liegt an der Langeler Au, über welche hier eine auf Königl. Kosten unterhaltene hölzerne Brücke führt, mitten in der Grafschaft. Die Entfernung von Pinneberg beträgt 2, von Bramstedt 2 1/4, von Elmshorn 1 Meile. Der Flecken hat gegenwärtig 151 Häuser, die, wenn gleich durchgängig nur klein, doch mit wenigen Ausnahmen ein freundliches und reinliches Ansehen haben. Im Jahre 1827 betrug die Anzahl der Häuser nur 116. Ein in der Mitte des Ortes belegener mit Linden bepflanzter Marktplatz erhöht das freundliche Ansehen des Orts. Die Straßen sind sämtlich gepflastert und von gehöriger Breite; die Häuser mit Ziegeln gedeckt. Eine Ausnahme hiervon machen 5 innerhalb der Grenze des Fleckens liegende, zur Vogtei Großendorf gehörige Landstellen. Da einige Häuser dieser Vogtei sich unmittelbar an dem Flecken anschließen und hinsichtlich der Treibung von bürgerlichen Gewerben manche Streitigkeiten vorfielen, auch die ökonomische Verwaltung des Fleckens nicht getrennt war von der des Kirchspiels Barmstedt, so wurden durch ein Reglement vom 4. Nov. 1754 nicht nur den Grenzen des Fleckens genau bestimmt, sondern auch über die Verwaltung der Fleckensangelegenheiten (…) Bestimmungen getroffen, welche noch gegenwärtig zur Richtschnur dienen. (…)„
Zünfte im Flecken Barmstedt:
„Im Jahre 1737 unterm 4. Jan. erhielt Barmstedt ein Fleckensprivilegium, wonach es den Einwohnern verstattet ist, jedwede bürgerliche Nahrung ungehindert zu betreiben. (…) Der Flecken ist mehr wie jeder andere Ort auf bürgerliche Nahrung angewiesen, weshalb denn auch die Eingesessenen gewöhnlich außer einem Handwerke noch Krugwirtschaft oder Hökerei treiben. Der Handel erstreckt sich jedoch nur auf den Ort und das Kirchspiel. Bedeutend ist nur die Ausfuhr von Schusterarbeiten. Zufolge einer Concession vom 22. März 1756 werden hier an jedem Mittwoch und Sonnabend Wochenmärkte abgehalten, die indessen wenig frequentiert werden. Außerdem werden jährlich 4 Kram- und Viehmärkte gehalten, wovon der im Herbste statt findende Ochsenmarkt nicht unbedeutend ist.“ (Rauert, S.68f)
Die Kram- und Viehmärkte waren festgelegt auf Montag nach Judica, auf Mariä Himmelfahrtstag, den 15. August, auf acht Tage nach Michaelis, den 6. October und auf den 30. Oktober, den bedeutenden Ochsenmarkt.
Barmstedt war im 19. Jahrhundert eine Schuhmacherstadt. Von den 205 bei Rauert aufgeführten Handwerksmeistern gehörten 133 der Schuhmacherzunft an, also über 53 %, zählt man die Gesellen dazu, waren es 76 % der Handwerker. Das Schuhmacheramt, also die Zunft, spielte im öffentlichen Leben des Fleckens eine herausragende Rolle. Es gab eine eigene Schuhmacherherberge, die den wandernden Schuhmachergesellen Unterkunft und Verpflegung bot. Die vielen Schuhmacherbetriebe produzierten hauptsächlich für den Export. Sie bezogen ihr Leder aus den am Ort ansässigen Gerbereien oder aus Elmshorn und verkauften ihre Schuhe, v.a. Seemannstiefel, über Hamburg großenteils nach Nordamerika (Schröder). Manche Schuhmacher lieferten „10.000 Pfund und darüber, ja einer an 50.000 Pfund Fußzeug jährlich nach Hamburg“ (nach Redling, der in seiner Verteidigungsschrift für den Bau der Nord-Ostsee-Bahn über Barmstedt Argumente zusammentrug (Dössel, 1988, S.177)).
Der Flecken Barmstedt war seit dem Beginn des Jahrhunderts bereits stark gewachsen. Die Einwohnerzahl hatte von 939 im Jahre 1803 auf 1470 im Jahre 1835 zugenommen. Aus heutiger Sicht immer noch eine geringe Zahl. Für die gesamte Grafschaft, also die Kirchspiele Barmstedt, Elmshorn und Hörnerkirchen incl. der zugehörigen Dörfer, wurde 1840 eine Bevölkerungszahl von 11.996 ermittelt, Elmshorn hatte nach Bremer davon 5100 Einwohner. Für die größte Stadt der Herzogtümer, Altona, ergab sich eine Volkszahl von 28.095, für Kiel 12.344 (Bremer 1844, S. 179).
Die Industrialisierung hatte in Barmstedt noch nicht begonnen. In den 1830er Jahren existierten noch keine Fabriken oder Manufakturen, allerdings Mühlen. Das Getreide der Bauern aus der Barmstedter Umgebung musste seit Jahrhunderten in den königlichen Wassermühlen Rantzau und Bokel gemahlen werden, die wiederum auch das Mehl verkauften. Neben diesen Kornmühlen entstanden jetzt neue Spezialbetriebe v. a. für die expandierende Schuhmacherzunft. Bereits 1838 gab es eine Roßlohmühle, die von Pferden angetrieben wurde und zum Mahlen von Gerberlohe aus Rinde, Blättern oder Holz, meist von Eichen genutzt wurde. Diese Mühle hat nach Johannes Schröders 1841, also fast gleichzeitig, erschienenen Topographie des Herzogthums Holstein… auch als Knochenmühle gedient. Sie konnte damit den für die damals moderne Landwirtschaft wichtigen Rohstoff Knochenmehl aus Schlachtknochen als Dünger liefern, der bei der Überwindung der traditionellen Dreifelderwirtschaft nötig wurde. Die Gerberlohe war der wichtigste Rohstoff wiederum für einige Lohgerbereien, in denen Tierhäute zu Leder verarbeitet wurden. Diese konnten allerdings nicht so viel Leder liefern, wie am Ort von den Schustern verbraucht wurde. Viele davon erzeugten ihr Leder selbst. Eine der beiden Lohmühlen lieferte (nach Redling) seit Jahren ansehnliche Mengen nach Altona.
Jacob Friedrich Bornholdt, der Pächter der königlichen Rantzauer und Bokeler Wassermühlen, baute 1842 eine erste Windmühle am Mühlenberg im Gebiet des Großen Kamp. Drei Jahre später, 1845, entstand bereits die nächste Windmühle in der späteren Mühlenstraße. Hier verarbeitete Simon Eggerstedt bis 1854 Eichenrinde zu Gerberlohe, die die Barmstedter Gerbereien und einige Schuster in großen Mengen zur Lederherstellung benötigten. „Dieses Mahlgut sah braun wie Kakao aus, und so hieß der Müller bald allgemein: „Kakao-Müller“.“ (Dössel, Schröder, Burchert, S.117) 1894 erwarb Sophus Abel die Mühle und modernisierte den Betrieb.
1846 wurde die Weberfabrik von Stolzenwald in der späteren Austraße, damals „Vor de Brüch“, gebaut, zu der dann eine Dampffärberei kam, die auch dem Leder der Barmstedter Schuhmacher den richtigen Farbton gab. Nachdem diese Firmen ihren Betrieb einstellten, wurde das Gelände 1911 von der Firma J. Schlickum aufgekauft und zu den Wachs- und Ceresinwerken Schlickum ausgebaut.
Dass gerade die Weberei zu einer der wichtigsten Branchen der Industrialiserung wurde, steht in einem gewissen Widerspruch zum Ansehen dieses Handwerks. Es wurde v. a. von den Männern nicht als eigenständiges Gewerbe betrachtet, da es zu Hause von der Hausfrau und den Töchtern betrieben wurde. Der Webstuhl war wie das Spinnrad immer noch ein nötiges Stück der Aussteuer. (Rauert, S. 58) Allerdings produzierte man zu Hause vorwiegend für den Eigenbedarf.
Ebenfalls im Jahr 1846 entstand an der Westseite des Marktplatzes das „Sprützenhaus“ der Freiwilligen Feuerwehr. Der Vorgängerbau befand sich auch am Marktplatz an der Hauptstraße. (Dössel, S.205)
Neben diesen Betrieben gab es nach Schröder auch Grützmühlen und eine Lichtgießerei. Neu dazu gekommen waren nach Rauert auch zwei Ziegeleien ohne Concession, welche jährlich 4 bis 500.000 Ziegelsteine und 50.000 Dachziegel lieferten. Nach Schröder gehörte „die des Herrn Schneider zu den bedeutendsten im Lande […] und [setzte] schon z.Zt. von ihrem vorzüglichen Fabrikat manches nach der Umgebend von Altona“ ab.
Die Produktion und der Handel mit Torf, Bundholz (als Brennholz) und Getreide war für die Barmstedter und Großendorfer Bauern eine wichtige Einkommensquelle. Sie wurden in großen Mengen aus den Barmstedter Landdistrikten nach Altona und Hamburg geliefert.
Wichtig war in Barmstedt immer schon das Bierbrauen und der Ausschank. Da es als herrschaftliches Recht angesehen wurde, musste für das Ausschenken bis 1672 eine Krugaccise bezahlt werden, wobei Rauert vermutet, dass landesherrschaftliche Brauereien existierten, von denen die Krüger und Eingesessenen ihr Bier holen mussten. Später durften Krüger, die ein Privilegium erhielten, gegen erhöhte Accise ihr Bier selber brauen. Da das neue Monopol aber auf Protest stieß, wurde es schließlich allen Kirchspieleinwohnern gestattet, ihr Bier selber zu brauen oder es aus einem beliebigen Ort zu beziehen. Dafür wurde wiederum eine Gebühr auf die gesamte Einwohnerschaft nach der Größe ihrer Hofstellen umgelegt. Barmstedt blieb davon aber ausgenommen. 1715 durften weiterhin nur 4 Brauhäuser offiziell Bier brauen, Krüger brauchten bis 1824 eine Konzesssion der Königlichen Rentekammer. Die Monopolstellung des 1835 bereits nur noch von zwei Brauern hergestellten Bieres blieb gesetzlich zwar bestehen, existierte faktisch nach Rauert aber schon lange nicht mehr. Die Brennereien konnten Branntwein herstellen und ausschenken, ohne dass Abgaben oder Konzessionen erforderlich waren.
Streng reglementiert war auch das Betreiben der Musik. Es wurden nur vier Musikanten in der Grafschaft privilegiert. Zwei davon sollten in Elmshorn und zwei in Barmstedt wohnen. Im Jahre 1825 kam für Barmstedt ein Dritter dazu. Wegen der Klagen der Fleckensbürger über die schlechte privilegierte Musik wurden die beiden Flecken im Jahr 1800 bevollmächtigt, jedenfalls einen der Musiker selbst auzusuchen, 1837 sogar beide.
Die Landschaft in der Umgebung von Barmstedt wurde von Schröder und Rauert als größtenteils sandig und die Wiesen als moorig beschrieben. Interessant ist, dass für 1840 noch von vielen Grabhügeln in der Nähe Barmstedts die Rede ist, offenbar eine Situation, wie sie auch 150 Jahre früher schon vom Altertumsforscher und Pastor Rhode in seinem Buch beschrieben wurde. Die Zerstörung der vorgeschichtlichen Hügel dürfte also weitgehend erst – wohl im Zusammenhang der Modernisierung der Landwirtschaft – in der Zeit nach 1840 erfolgt sein.
Die Schulen in Barmstedt fassten inzwischen wieder einmal die Zahl der Schüler nicht mehr. Die im Organistenhaus an der Kirche untergebrachten Oberklassen hatten 95 und 76 Schüler und Schülerinnen, die Elementarklasse in der Reichenstraße sogar 243! (Dössel, Unsere Schulen, S. 108) Bei Rauert und Schröder finden sich zur Schulsituation ähnliche Beschreibungen. Danach gab es 3 Schulen: eine Elementarklasse mit wechselseitiger Schuleinrichtung von 218 Schülern (bei Schröder 2 Klassen), eine Knabenklasse von 96 und eine Mädchenklasse von 87 Schülern. Daher waren Anfang der 1840er Jahre ein neuer Klassenraum und ein zusätzlicher Lehrer unumgänglich. Nach langer erregter Diskussion wurde schließlich das alte Organistenhaus abgebrochen und ein neues fast an der gleichen Stelle errichtet. So entstand 1841 die neue Gemeindeschule neben der Kirche, die „lange Schule“, die weiterhin gleichzeitig auch Organistenhaus blieb. Sie wurde auf Kirchenland gebaut und diente als „Elementarsklasse mit wechselseitiger Schuleinrichtung von 218 Schülern“ (Rauert, S.70). Sie war eingerichtet für zwei Klassen und im vorderen und hinteren Teil war jeweils Platz für eine Lehrerwohnung. Einer der beiden Lehrer war immer (bis 1934) auch gleichzeitig Organist. Als Schule diente dieses Gebäude mindestens bis 1905, als die Mädchen- und die Knabenschule an der August-Christen-Straße gebaut wurden. Das Haus blieb im Besitz der Stadt, wurde aber 1937 an die Kirche abgegeben, die dafür Ländereien an der Krückau der Stadt für den Bau des Rantzauer Sees abtrat. Danach wurde das Haus hauptsächlich für die kirchliche Gemeindearbeit, v.a. die Frauenhilfe, genutzt.
1842 wurde der Feldsteinturm der Heiligen-Geist-Kirche mit Ziegelsteinen ummauert.
Vom 5. bis zum 7. Mai 1842 kam es zur großen Brandkatastrophe in Hamburg, bei der fast die gesamte Altstadt zerstört wurde. Das Feuer war auch noch in Barmstedt zu sehen. J. J. Brockmann berichtet in seinem Tagebuch, dass 1500 Häuser abgebrannt sind.
Wälder und Landwirtschaft
Die Landschaft in Holstein war seit dem ausgehenden Mittelalter stark entwaldet. Großflächige Waldzerstörungen durch Rodungen für Siedlungen, Äcker und Weiden hatten auf den armen Sandböden „riesige Heideflächen hinterlassen, die nur zur Schafweide und zum Plaggenhieb (=Gewinnung der Heide als Einstreu im Viehstall) genutzt werden konnten, ansonsten aber unfruchtbar und lebensfeindlich erschienen. Niemand ahnte damals, daß die allmähliche natürliche Wiederbewaldung dieser trostlosen Heidelandschaften nur durch die Schafweide und den Plaggenhieb verhindert wurde.“ (Hewicker, S. 3) Allerdings gab es in der Barmstedter Umgebung im Verhältnis zum übrigen Land doch noch erhebliche Waldflächen, v. a. im Westen. (s. Varendorf-Karte und Rauert unten) Als nun Mitte des 19. Jahrhunderts infolge der fallenden Preise für Schafwolle aufgrund der Billigimporte aus Australien und der Konkurrenz der Baumwolle aus Übersee die Schafhaltung nicht mehr profitabel erschien, wurde 1843 die herrschaftliche Schäferei aufgegeben. Man bemühte sich jetzt, die Heideflächen wieder zu bewalden. Ein Teil der Fläche wurde nach langen Verhandlungen mit den angrenzenden Dorfschaften Aspern, Offenseth, Lutzhorn und Großendorf zum künftigen herrschaftlichen Wald bestimmt, der Rest wurde auf die Dörfer verteilt, die Hälfte davon erhielt Großendorf. Die Gebäude der Schäferei in der Brunnenstraße wurden zum Forstdienstgehöft umgewandelt und mit einem neu eingesetzten Holzvogt besetzt, der jetzt für Teile der Hofhölzung und die Aufforstungsflächen auf dem Gebiet des heutigen Lutzhorner Geheges zuständig war, insgesamt für 956 ha. Es entstand so das Großendorfer Gehege, das im Süden Königskoppel und im Norden Hüttenkratt genannt wird. (Hewicker, S. 6) 1846 beschloss die Fleckensversammlung von Barmstedt die bisherigen „Gemeinigt-Gründe“ im Steinmoor und Heide, Höllwisch und auf der großen Heide zu verkaufen, das Geld wurde „am Flecken festgesetzt und die Zinsen zu verausgaben beschlossen, was nach Häuserzahl repartiert wird.“
Straßen und Postkutschen
Die Verbindungen Barmstedts mit der Welt bestanden – wie überall in den Herzogtümern Schleswig und Holstein – bisher nur aus unbefestigten Landstraßen. Daher fuhren auch die Postkutschen und Fuhrwerke über holprige Sandwege mit tiefen Spurrinnen, die teils tiefe Löcher aufwiesen. Die Bauern aus der Umgebung waren zur Ausbesserung verpflichtet und hatten bei Bedarf Löcher mit Sand und Feldsteinen zu verfüllen. Die Wegführung im Bereich der Grafschaft war insgesamt durchaus mit der heutigen vergleichbar, wie man an der Karte der Grafschaft Rantzau, gezeichnet 1852 vom Amtsverwalter Rauert, erkennen kann. Allerdings gab es auch bedeutsame Unterschiede im Detail. Die westliche Landstraße nach Süden führte zwangsläufig für jeden zwischen Wassermühle und Burggraben entlang und teilte sich erst vor der Mühlenscheune. Rechts ging es nach Bullenkuhlen und Bevern, geradeaus – auf dem schmalen Feldweg Spitzerfurth – führte der Weg nach Heede. Nach Elmshorn hatte die Strecke zwischen der Okate und Voßloch eine Einbuchtung nach Süden.
Erst 1832 war mit der Kiel-Altona-Chaussee eine erste Kunststraße gebaut worden, die heutige B4. Rechts in der Karte schneidet sie knapp die Grafschaft nahezu in Nord-Süd-Richtung. Chausseen waren „befestigte Straßen mit einem durch Gräben begrenzten Fahrdamm und einer Verschleißdecke, die durch Festwalzen unregelmäßiger Steine (Basalt, Granit, Kies) unter Sand- und Wasserbeigabe hergestellt wurden und auch Makadam-Straßen hießen, nach dem Schotten McAdam, der diese Bauweise um 1820 propagierte.“ Die Fahrzeit zwischen den Hafenstädten Kiel und Altona konnte damit von bisher 16 auf 9 und für Kuriere auf 6 Stunden verringert werden. Auch die Transportleistung von Fuhrwerken konnte um das Dreifache gesteigert werden. (Lange 1996, S. 58)
Seit 1826 hatte es eine Extrapoststation in Barmstedt für Personenbeförderung gegeben, sie wurde aber nach Schröder bald wegen mangelnder Nachfrage wieder aufgegeben. In die Bresche sprangen aber Barmstedter Pferde-Omnibusunternehmer, die Personentransporte mit der Kutsche nach Hamburg anboten. Sie wählten seit dem Bau der Chaussee die Strecke über Quickborn nach Hamburg. Dadurch verkürzte sich die einfache Fahrzeit gegenüber dem traditionellen Weg über Ellerhoop und die Thiensener Brücke auf 5 – 6 Stunden.
Ab 1844 gab es jedoch einen Eisenbahn-Anschluss in Elmshorn. Dadurch wurde es sehr viel attraktiver, für Personen, Frachten und Briefe diesen Weg zu wählen. Allerdings waren die Wegeverhältnisse zwischen Barmstedt und Elmshorn noch sehr schlecht. Deshalb versuchte man, seitdem die Entscheidung über die Eisenbahntrasse gefallen war, einen Chausseebau zwischen den Flecken Barmstedt und Elmshorn voranzutreiben. Dies gelang jedoch erst 1853, wobei der Verlauf der alten Landstraße weitgehend beibehalten wurde, nur zwischen Barmstedt und Voßloch wurde die Strecke deutlich begradigt. Wie auf allen Chausseen im Königreich wurden in regelmäßigen Abständen Chausseegeld-Hebestellen errichtet, die aus typischen quadratischen Häuschen bestanden.
Im Bereich der Briefpost fand Barmstedt ab 1844 durch die Errichtung einer ersten Briefpost-Expedition am 1.10.1844 in der Königstraße 30 an die allgemeine Entwicklung Anschluss. Dieses Haus steht heute noch. Während vorher ein Botengänger aus Barmstedt zweimal wöchentlich abholte und dann gegen Gebühr austrug, wurde jetzt vom Postamt aus täglich ein Botengang von Elmshorn nach Barmstedt und in der Gegenrichtung durchgeführt. Ab 1854 wurde dafür ein Postwagen angeschafft, der neben dem selteneren Frachtposttransport den Briefverkehr erledigte. (Dössel 1988, S. 183ff)
Der Eisenbahnstreit zwischen Barmstedt und Elmshorn und die Revolution des Verkehrswesens
In England waren die ersten Dampfeisenbahnen 1825 in Betrieb genommen worden. In kürzester Zeit machte das Beispiel in ganz Europa Schule, überall wurden Eisenbahnlinien aufgebaut. Extra hierzu gegründete Aktiengesellschaften brachten das nötige Kapital auf und schon in den 1830er Jahren entstanden auch in den deutschen Staaten jeweils eigene Linien. Der erfolgreiche englische Konstrukteur George Stephenson lieferte die erste Eisenbahn auf deutschem Boden, den „Adler“ aus der Maschinenfabrik in Darlington, dessen Jungfernfahrt zwischen Nürnberg und Fürth am 7. Dezember 1835 stattfand.
Natürlich suchte man auch im dänischen Gesamtstaat – ganz besonders in den Herzogtümern – nach Möglichkeiten, Anschluss an die moderne Zeit zu finden. Die Planung der Eisenbahnlinie von Altona nach Kiel geriet ab 1840 in die letzte Phase. Interessierte Kaufmannskreise in Kiel und Altona gründeten Eisenbahnkomitees und beauftragten – mit königlicher Erlaubnis – den englischen Ingenieur G. W. Buck damit, eine möglichst sinnvolle Linienführung zur Verbindung beider Städte zu finden. Am 15. Oktober 1840 legte er seine Vorschläge vor, die darauf hinausliefen, westlich der Altona-Kieler Chaussee über Neumünster, Hingstheide, Barmstedt und Thesdorf wegen ihrer Kürze und geringsten Geländeschwierigkeiten eine Eisenbahnlinie zu bauen. Die Komitees wählten daraufhin eine Linie über Pinneberg – Barmstedt – Kellinghusen – Neumünster aus und warben für die Aktienzeichnung der neugegründeten AG.
Die Barmstedter Bürgerschaft setzte sich schnell für diese Streckenführung über den eigenen Ort ein, so dass der Flecken am 10. April 1842 bei der Administratur 50 Aktien a 100 Species- Taler zeichnete. Während in der Elmshorner Bevölkerung die Barmstedter Begeisterung angeblich nicht verstanden worden sei, arbeitete dort eine Gruppe um Claus Panje für eine alternative Streckenführung über Elmshorn. Die Argumente waren die Fleckensgröße Elmshorns im Verhältnis zu Barmstedt (4862 zu 1470 Einwohner), der umfangreiche Frachtdurchgangs- und Reiseverkehr, der Wirtschaftsstandort mit seinem Hafen und der reichen Marsch sowie die größere Zahl erreichbarer Menschen. Von jetzt an wurde ein harter, auch sehr emotional geführter Konkurrenzkampf um die Linienführung geführt, der über Jahrzehnte das Verhältnis der beiden Rantzauer Flecken trüben sollte.
Abordnungen wurden nach Kopenhagen geschickt, „um Königliche Majestät zu bitten, dass die Eisenbahn über Barmstedt und nicht über Elmshorn gelegt werde. Nachdem war Baron Homfeldt aus Rellingen hier und bot als Entschädigung 10.000 Rbthlr. Den 4. Februar war der Graf Reventlow, Amtmann zu Bordesholm, als königl. Kommissar des Eisenbahnkomitees gesandt, um mit uns abzuhandeln, dass die Bahnlinie über Elmshorn genommen werden dürfe, welches ganz Barmstedt einstimmig ausschlug und mit „nein“ beantwortete. Der König hat es dem Komitee überlassen und reserviert, über Elmshorn zu bauen.“ (J.J. Brockmann)
Damit war die Entscheidung gefallen: Elmshorn erhielt für seine industrielle Entwicklung am Knotenpunkt der Wasserstraße Krückau und der Landstraße von Itzehoe nach Altona eine weitere für die frühindustrielle Zeit entscheidende Verkehrsader. Am 18.09.1844 wurde die „Christian VIII. Eisenbahn“ feierlich eröffnet und schon 1845 wurde die Erweiterung nach Glückstadt fertiggestellt. Aber erst 1896 erreichte Barmstedt mit der Elmshorn-Barmstedt-Oldesloer Eisenbahn seinen Anschluss an das Schienennetz. (Wulf, S. 55; eine ausführliche Darstellung zum Eisenbahnstreit und zur Postgeschichte bei Dössel 1988, S.172-183; Frank 1987, S. 95-107)
Die Eisenbahnverbindung war deshalb so wichtig für die Entwicklung des Landes, weil Fahrzeit und Frachtkapazität damit in kurzer Zeit extrem verbessert wurden. Während auf den sandigen, von den anliegenden Bauern immer wieder notdürftig mit Feldsteinen ausgebesserten Wegen für Fuhrwerke und Postkutschen auf dem Weg von Kiel nach Altona noch 16 Stunden veranschlagt werden mussten – sofern kein Achsen- oder Radbruch passierte – wurde auf der Chaussee mit ihrer festen Verschleißdecke eine Fahrzeit von 9 Stunden erreicht und die Kapazität erhöhte sich um das Dreifache. Durch die Eisenbahn aber konnte die Fahrzeit auf unter drei Stunden reduziert werden und die Transportkapazität erhöhte sich ins Unvorstellbare. Die Kosten je Tonnenkilometer reduzierten sich auf ein Zehntel und weniger. Eine der sichtbaren Folgen für das gesamte Land war damit auch das Ende der Ochsentriften. Die riesigen Rinderherden, die aus Jütland bisher auf dem „Ochsenweg“ in die Städte des Südens getrieben wurden, verschwanden jetzt in den Eisenbahnwaggons. Die überregionale Verbindung der Eisenbahnen nach Süden wurde allerdings erst 1866 erreicht, als die Verbindungsbahn zwischen Hamburg und Altona eingeweiht wurde. Damit konnten schleswig-holsteinische Agrarprodukte bis in den deutschen Binnenraum ohne Umladen transportiert werden.
Parallel dazu veränderte sich auch das Zeitempfinden, denn die für die jeweilige Strecke festgelegten Abfahrts- und Ankunftszeiten wurden nach der Normalzeit der Sternwarte Hamburg bemessen. Damit diese Zeiten, an denen sich Fahrgäste und Fuhrleute zu orientieren hatten, auch eingehalten wurden, wurde ab 1851 mit elektrischen Telegraphen die genaue Zeitangabe an die Bahnhöfe weitergeben. Diese neue Erfindung revolutionierte die Nachrichtenübermittlung nicht nur für die Bahnreisenden. Denn schon 1859 konnte die Kieler Kaufmannschaft befriedigt feststellen, dass „das Reisen für Geschäftsleute nicht mehr in der absoluten Notwendigkeit geboten wird“. (Lange 1996, S. 60) Denn der Anschluss ans Telegraphennetz ließ jetzt auch geschäftliche Abmachungen zu, ohne dass die körperliche Anwesenheit in jedem Fall erforderlich war.
Für Holstein – und damit auch für Barmstedt, besonders aber für Elmshorn – war die damals noch eigenständige holsteinische Stadt Altona von besonderer Bedeutung in dieser Phase der Frühindustrialisierung. Sie war nicht nur die größte in den Herzogtümern und die zweitgrößte im dänischen Gesamtstaat, sondern auch als Endpunkt von Eisenbahn und Chaussee wichtiger Hafen, von der aus Waren aus Dänemark und den Herzogtümern in alle Welt gingen, aber über die auch wiederum Waren eingeführt wurden. Für unsere beiden Flecken bekam die Stadt als Abnehmer von Wolle, Holz und Gerberlohe zunehmende Bedeutung, denn in ihr waren neben Tabak- und Zigarrenfabriken die Textilindustrie und Gerbereien dominierend. (Wulf, S. 55ff)
Matthäus Friedrich Chemnitz und das Schleswig-Holstein-Lied
Ab Beginn der 1840er Jahre kam es langsam zur Verschärfung der nationalen Spannungen. König Christian VIII. hatte auf Vorschlag der schleswigschen Ständeversammlung Dänisch als Amtssprache in Nordschleswig einführen lassen, was aus Sicht der „Schleswig-Holsteiner“ die Einheit der Herzogtümer gefährdete. Auch in anderen Staaten des Deutschen Bundes waren nationale Gefühle erregt worden, u.a. durch die Forderung aus Frankreich, den Rhein als Westgrenze für sich zu reklamieren. Angefeuert worden war diese Stimmung auch durch die auf das Mittelalter gewandte kulturelle Strömung der Romantik. Es entstand so das Bedürfnis nach einer verklärten Vergangenheit, die u.a. den preußischen König dazu bewog, den Weiterbau des seit 300 Jahren unfertigen Kölner Doms anzuordnen. Die meisten Liberalen in den Herzogtümern waren inzwischen Nationalliberale geworden, die unter Beseler eine Allianz eingingen mit der Ritterschaft und dem erzkonservativen Herzog von Augustenburg, der wiederum Erbansprüche auf Schleswig-Holstein stellte, wenn der kinderlose Kronprinz Friedrich sterben würde. Dieser Erbanspruch wurde damit Teil der „Fundamentalsätze“ der „Landespartei„.
Nachdem die Gebrüder Grimm 1812 ihre „Kinder- und Hausmärchen“ veröffentlicht hatten, war ein großes Interesse an mittelalterlichen und volkstümlichen Märchen- und Sagenstoffen entstanden, das zunehmend auch regional orientiert war. Karl Müllenhoff veröffentlichte 1845 seine Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, die er nach seinen Studien in Kiel, Leipzig und Berlin gesammelt hatte. Er erhielt später eine Professur für Mediävistik in Kiel, dann in Berlin und trat an der Akademie der Wissenschaft in Berlin die Nachfolge von Jacob Grimm an.
Das Schleswig-Holstein-Lied von Matthäus Friedrich Chemnitz (1815-1870) wurde in der vorrevolutionären und von nationalen Strömungen geprägten Zeit 1844 zum ersten Mal auf einem großen Sängerfest in Schleswig aufgeführt, verbreitete sich schnell in ganz Deutschland als nationaler Hit und wurde auf dem Würzburger Sängerfest 1845 stürmisch gefeiert.
Es drückte – wie das „Lied der Deutschen“ von Hoffmann von Fallersleben, das 1841 auf der englischen Insel Helgoland entstanden war – die national geprägte Stimmung bürgerlicher und deutsch gesinnter Kreise aus. Schleswig-Holstein war als Grenzgebiet zwischen den Reichen jahrhundertelang unbestritten unter dänischer Krone gewesen, obwohl nur das Herzogtum Schleswig dänisches Lehen gewesen war. Durch den Vertrag von Ripen hatte die Ritterschaft beider Landesteile sich ein historisches Recht auf dauernde Zusammengehörigkeit unter einer Krone gesichert. Die dänische Krone war damals an die deutsche Dynastie der Oldenburger gefallen. Eine „nationale“ Frage hatte es entsprechend nie gegeben. Erst nach 1815, mit zunehmender Verfassungsdiskussion aufgrund völlig veränderter gesellschaftlicher Bedingungen sowohl in Dänemark als auch in den verschiedenen deutschen und angrenzenden Fürstentümern, war die Frage nationaler Grenzen akut geworden. Hinzu kam der dänische Staatsbankrott von 1815, der eine erhöhte Steuerlast für die Herzogtümer mit sich gebracht hatte. Lornsen und Dahlmann hatten für Schleswig-Holstein jeweils unterschiedliche Zugehörigkeiten gefordert. Lornsen war, obwohl er für eine „schleswigholsteinische“ Verfassung unter dänischer Krone eingetreten war, von eben dieser Krone mit einjähriger Haft bestraft worden. Auch in Dänemark gab es starke bürgerliche Kreise, die eine demokratische Verfassung forderten, dabei aber das Herzogtum Schleswig einbeziehen wollten, und zwar „bis zur Eider“. Entsprechend wurden sie „Eiderdänen“ genannt. Gegen diese Position richteten sich die „Deutschgesinnten“. Wichtige Formen politischer Öffentlichkeit in dieser von Zensur geprägten Zeit waren einerseits Burschenschaften für die Studenten, andererseits Schützenvereine, Turnvereine, Liedertafeln und Gesangsvereine für das Bürgertum. Aus diesen heraus fand die Agitation für eine Zugehörigkeit Schleswig-Holsteins zu einem zukünftigen national geeinten Deutschland bzw. Dänemark statt.
Matthäus Friedrich Chemnitz wurde 1815 in Barmstedt als Sohn des Pastoren Paul Chemnitz im Pastorat an der Hörn, der heutigen Chemnitzstraße, geboren und von ihm – wie es damals üblich war – bis zur Primareife, was heute der Versetzung in die Oberstufe entspricht – unterrichtet. Danach besuchte er in Altona von 1832 bis 1835 das Christianeum. Als sein Vater 1834 starb, zog seine Mutter in das Predigerwitwenhaus „An´n Riekenreeg“ (Reichenstraße). Nach dem Abitur studierte er Jura in Kiel und wurde ab 1840 Rechtsanwalt in Schleswig. Er war Turner und wurde bald Mitglied des Schleswiger Sängervereins, dessen Dirigent der Kantor am St.Johanniskloster Karl Gottlieb Bellmann war.
1844 veranstaltete dieser Schleswiger Sängerverein ein großes Sängerfest mit Einladungen an alle entsprechenden Vereine in Schleswig und Holstein. Zur Begrüßung wurden überall Fahnen ausgehängt in den alten Wappenfarben blau-weiß-rot. Vor ca. 14.000 Hörern fand das Sängerkonzert statt, danach im Festzelt nach einer Rede auf das „ungedeelte“ Vaterland die erste Aufführung des neuen Schleswig-Holstein-Liedes, die in ungeheurem Jubel geendet haben soll. Der Komponist war Bellmann, Autor dieses Liedes war Chemnitz. Er hatte allerdings nur ein anderes Lied von Straß, auf das Bellmann bereits die Melodie geschrieben hatte, umgedichtet und ihm diese vaterländisch-deutsche Tendenz gegeben. Nach diesem Erfolg traten die Schleswig-Holsteiner Sänger mit diesem Lied auch in Würzburg beim ersten großen deutschen Sängerfest mit 20.000 Teilnehmern an. Chemnitz war auch dabei. Ein Erfolg des Liedes soll es gewesen sein, dass man sich in ganz Deutschland für die Schleswig-Holsteinische Frage zu interessieren begann. Den politischen Kampf unterstützte Chemnitz durch „Korrespondenzen“ in deutschen Zeitungen.
Am Heimatort des Dichters gründeten im gleichen Jahr begeisterte Sänger die Barmstedter Liedertafel, die sich 1844 – wohl aus Anlass dieses Erfolges – eine neue Fahne zulegte. Kosten incl. Zubehör 160 Speziesthaler. (Brockmann) Die Geschichte der Liedertafel ist in einem Zeitungsartikel von 1970 hier teilweise dokumentiert. Das öffentliche Singen war aber schnell wieder vorbei, denn bereits 1847 „wurden die öffentlichen Singvereine untersagt, weil da von politischen Sachen gesprochen wurde.“ (Brockmann)
1846 bis 1847 ward hier ein neues Spritzenhaus (für die Feuerwehr) gebaut und eine „2schlägige Pumpe“ angeschafft. 1847 wurde noch ein Nachtwächter mehr angestellt und die halbe Stunde gerufen.[…] 17. April kostete pr. Tonne Roggen in Hamburg 7 Speziesthaler, ein Preis, der seit 100 Jahren nicht dagewesen. 1847 war es eine große drückende Teurung an Lebensmitteln. (Brockmann)
1846/47 führte die prekäre Situation der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter zu Streiks und Demonstrationen, den sog. Instenunruhen. Die Agrarhochkonjunktur in Verbindung mit Mechanisierung und Arbeitskräfteüberangebot hatten zu Lohnsenkungen bei gleichzeitigen Preissteigerungen geführt. Viele dieser ländlichen Arbeitskräfte wichen in die Städte aus, um dort Arbeit zu finden, erhöhten dort jedoch nur das ebenfalls vorhandene Überangebot an Arbeitskräften. Dieser „Pauperismus“ hatte in vielen Gegenden Deutschlands teils erhebliche soziale Unruhen zur Folge, von denen der bekannteste der Weberaufstand in Schlesien war. Die nun entstehende Arbeiterbewegung sollte für die zukünftige politische Entwicklung eine immer größere Bedeutung gewinnen, denn sie brachte die liberalen Kräfte in Interessenkonflikte. Industrielle kämpften zwar für bürgerliche Freiheiten, sahen sich jetzt aber gleichzeitig den sozialen Forderungen der Arbeiter gegenüber in der Defensive.
Die politische Auseinandersetzung in der Verfassungsfrage wurde erregt, als König Christian VIII. in einem „offenen Brief“ am 8.Juli 1846 die dynastische Erbfolgefrage rechtlich neu auslegen wollte. Er vertrat die Auffassung, dass die in Dänemark, nicht aber in Holstein mögliche weibliche Thronfolge für die Herzogtümer gelten sollte, was nach der noch immer gültigen absolutistischen „Lex Regia“ in Dänemark durchaus möglich sein. Diese Auffassung prallte zusammen mit derjenigen der „Schleswig-Holsteiner“, die bereits 1837 den Herzog Christian August aus der Augustenburger Linie der Oldenburger zum Favoriten erklärt hatten. Aus Protest lösten sich die beiden Ständeversammlungen in Holstein (Itzehoe) und Schleswig auf. Nachdem es in Nortorf und Neumünster zu großen Protestversammlungen gekommen war, verbot die Regierung alle politischen Volksversammlungen, Vereinigungen und Petitionen in Holstein. Als König Christian VIII. im Januar 1848 starb, versuchte sein Sohn und Nachfolger Friedrich VII. zunächst eine Kompromisslösung und suchte den Konflikt in der Einberufung einer Verfassungsversammlung zu lösen. Hier aber traten die beiden nationalliberalen Parteien Dänemarks und der Herzogtümer unversöhnlich aufeinander.
In Frankreich kam es am 21.02.1848 zur Februarrevolution, als nach einer Wirtschaftskrise sich die allgemeine Unzufriedenheit mit der inzwischen reaktionär regierenden „Julimonarchie“ unter dem „Bürgerkönig“ Louis-Philippe in Protestdemonstrationen und Barrikadenkämpfen ausdrückte. Die Regierung stürzte und der König floh nach England. Zum ersten Mal hatte sich an diesem Aufstand neben den Liberalen und Konservativen die neu entstandene Arbeiterbewegung beteiligt, war auch in der ersten Revolutionsregierung vertreten. Beschlüsse, wie die Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien, Wahlrecht, Pressefreiheit und das Recht auf Arbeit konnten in diesem großen Bündnis gefasst werden. Die Linke unterlag aber nach der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung. Nach einem erneuten Aufstand der Arbeiter im Juni wurde mit militärischer Gewalt vom Präsidenten Cavaignac die Ordnung brutal wieder hergestellt und etwa 15.000 Verurteilte in überseeische Straflager verbannt. Bei der Wahl im Dezember 1848 unterlag Cavaignac dem Mitbewerber Louis-Napoleon, der 1851 nach einem Staatsstreich durch Populismus und geschickte Taktik erfolgreich eine neue diktatorische Verfassung und ein Plebiszit für eine neue Monarchie durchführen konnte. Am 2. Dezember 1852 ließ er sich zum neuen Kaiser der Franzosen unter dem Namen Napoleon III. ausrufen.
Deutsche Revolution von 1848 und schleswig-holsteinischer Krieg
Nach dem Tod Christians VIII. wurde sein Sohn, Friedrich VII., im Januar 1848 König von Dänemark. Gleich nach Regierungsantritt bemühte er sich darum, das Verfassungsversprechen seines Vorgängers umzusetzen. Jedoch wurde das heikle Unternehmen einer Einigung durch die Revolutionen in Frankreich (24. Februar) und im Deutschen Bund (ab 27. Februar) praktisch unmöglich.
Die restaurative Politik in den deutschen Fürstentümern hatte fast überall zu einer revolutionären Stimmung geführt, die durch politische Repression, uneingelöste Verfassungsversprechen und soziale Not der unteren Schichten ausgelöst war. Der Funken aus Frankreich sprang auf ganz Europa über und brachte demokratische und nationale Bewegungen neben Schleswig-Holstein auch in Polen und Italien zum Aufstand. In den meisten deutschen Staaten kam es durch die Unruhen zur Deutschen März-Revolution. Die Fürsten setzten als Zugeständnis ihre alten Kabinette ab und bildeten Märzministerien, die wie in Frankreich Zugeständnisse an die aufständischen Gruppen machten. Die revolutionären März-Forderungen bestanden aus 1.Volksbewaffnung mit freier Wahl der Offiziere, 2. Pressefreiheit, 3. Schwurgerichte nach englischem Vorbild, 4. sofortige Herstellung eines deutschen Parlaments, 5. Menschen- und Bürgerrechte, 6. deutscher Nationalstaat, 7. Verfassung.
Am 18. März versammelten sich Ständevertreter beider Herzogtümer zu einer gemeinsamen Sitzung in Rendsburg, wo sie ein Grundgesetz für Schleswig und Holstein, die Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund, Volksbewaffnung und Presse- und Versammlungsfreiheit forderten. Eine Abordnung wurde gewählt, die diese Forderungen nach Kopenhagen tragen sollten. Hier jedoch hatte bereits eine ebenso revolutionäre, aber dänische liberale Partei eine Demonstration zum Königspalast organisiert. Diese konnte mit ihrer „Macht der Straße“ ein eiderdänisch besetztes nationalliberales Kabinett durchsetzen.
Die Nachricht davon traf am 23. März in Holstein ein und führte sofort zum Aufstand, „schleswig-holsteinische Erhebung“ genannt. Eine provisorische Regierung wurde gebildet, in der die gesamte Breite der Aufstandsbewegung enthalten war: Nationalliberale mit Beseler, die Nordschleswiger mit Bremer, die Konservativen mit Graf F. Reventlow-Preetz und die Erzkonservativen mit dem augustenburgischen Prinz Friedrich von Noer, die Liberalen mit M.T.Schmidt und die Demokraten mit Th. Olshausen. Fast alle Staatsbeamten und fast alle Städte in den Herzogtümern erkannten diese Regierung an, da sie ihren Putsch damit begründeten, der „unfreie König“ sei in der Gewalt der eiderdänischen Kopenhagener (Schultz Hansen, S. 442). Die neue Regierung baute schnell nach der handstreichartigen Besetzung der Festung Rendsburg eine eigene Armee auf, die aber bereits am 9. April eine Niederlage gegen die dänische Armee erlitt, die bis zum Danewerk vorrückte. Daraufhin entsandte der Deutsche Bundestag unter der Führung Preußens Truppen, die die dänischen Kontingente am 23. April bei Schleswig besiegen konnten und das ganze Herzogtum Schleswig besetzten. Auf russisch-englischen-schwedischen Druck, die ein gemeinsames Interesse an der Erhaltung des status Quo vereint, wurde am 26. August 1848 in Malmö ein auf sieben Monate befristeter Waffenstillstand geschlossen. „Für die Revolutionäre in Berlin, Frankfurt und Kiel markiert der Vertrag den Scheitelpunkt. Überall verebbt die Stoßkraft der Bewegung. Ihr Schicksal entscheidet sich am Besitz der Bajonette.“ (Jessen, 129) Im Herzogtum Schleswig bildeten sich an vielen Orten Volksmilizen, in Holstein nur an einigen Orten, insbesondere um Kiel, Segeberg, Altona und Itzehoe, dazu kamen die Bürgerwehren der Städte.
Der Charakter dieses Aufstandes wurde je nach politischer Richtung sehr unterschiedlich gesehen. Die Demokraten sahen hierin eine Revolution des Volkes gegen absolutistische Königsmacht und Adel und gründeten demokratische und Vaterlandsvereine, bauten daneben ihre Presse aus. Das nationalliberale Zentrum hatte seine Basis in den Bürgervereinen und den neuen „Deutschen Vereinen“ sowie in der etablierten Presse. Der rechte Flügel bestand aus Ritterschaft, Gutsbesitzern, höheren Beamten und Altliberalen. Der Deutsche Bundestag hatte im März Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung in Frankfurt/M. beschlossen. In Holstein fanden diese am 1. Mai 1848 statt. Alle Männer über 21 durften teilnehmen, nur Verbrecher und Empfänger von Armenunterstützung (!) waren ausgenommen. Als im Sommer die Wahlen zur schleswig-holsteinischen Landesversammlung stattfanden, nahmen nur noch etwa 15 % der Wahlberechtigten teil. In der hier schließlich beschlossenen Verfassung wurde einerseits die Personalunion mit Dänemark, andererseits die Zugehörigkeit auch Schleswigs zum Deutschen Bund beschlossen. Das Wahlrecht wurde gegen die Linke als ein 2-Klassen-System beschlossen, in dem nur 50 von 100 nach allgemeinem, gleichen Wahlrecht gewählt werden sollten, die anderen 50 nach einem Zensuswahlrecht. Die dänische Verfassung war demgegenüber liberaler. Dennoch war diese Verfassung vom 15. September 1848 durch Einführung von Freiheitsrechten u.a. die Glaubensfreiheit auch für Juden eine der liberalsten dieser Zeit. (Schultz Hansen, S. 446)
Mit dem Waffenstillstand von Malmö hatte Preußen akzeptiert, dass die Provisorische Regierung zurücktreten musste, was eine Flut von Protesten im ganzen Deutschen Bund hervorrief. Statt dessen wurde jetzt eine Gemeinsame Regierung auf Gottorf eingesetzt, die zwar die erste verfassungsmäßige Regierung für beide Herzogtümer darstellte, jedoch von Liberalen, Demokraten und dänisch gesinnten Kreisen nicht akzeptiert wurde. Zu den „fünf Königen von Gottorf“ gehörte auch Adolph von Moltke, der spätere Administrator auf Rantzau. Er war ein Kandidat, der von dänischer und schleswig-holsteinischer Seite akzeptiert wurde, da er als Deputierter der Deutschen Kanzlei bereits der Kopenhagener Gesamtstaatsregierung angehört hatte, sich aber auch zum Delegierten in der (revolutionären) Landesversammlung in Kiel hatte wählen lassen. Er war wiederum so konservativ gewesen, dass er sich nicht als Mitglied der Provisorischen Regierung hatte aufstellen lassen. Als Mitglied der Gemeinsamen Regierung nun kümmerte er sich im Wesentlichen um die im Verlauf der Revolution aufgeflammte „soziale Frage“. (Jessen, S.131)
Soziale Aufstände: Die Insten, also Tagelöhner v.a. auf den Gütern und in Dithmarschen, forderten mehr Lohn und kürzere Arbeitszeiten. Die Instenunruhen, gleichzeitig mit den nationalen – eher bürgerlich geprägten Aufständen, führten dazu, dass schon die Provisorische Regierung auf den Gütern Sicherheitswachen organisiert und gleichzeitig eine Kommision zur Untersuchung der Lage der Insten eingesetzt hatte, die aber nicht beendet wurde. Überall in Deutschland hatte sich die Lage der Arbeiter dramatisch zugespitzt. 1847 waren die Löhne auf einen Tiefstand gefallen, was Abgeordnete der Paulskirche, aber auch Männer wie Olshausen in Kiel dazu gebracht hatte, die soziale Frage zu einem Thema der Revolution zu machen. Die Demokraten griffen deshalb zur Selbsthilfe und gründeten über 30 Arbeitervereine, in denen demokratische Schulung, fachliche Ausbildung und der Aufbau von Hilfskassen auf Gegenseitigkeit stattfand. Anfang 1850 wurde der Schleswig-Holsteinische Arbeitergesamtverein ins Leben gerufen, in dessen Zentralkomitee Demokraten wie Olshausen und Claussen saßen. Politisch-weltanschaulich war diese Bewegung noch nicht organisiert. Frühsozialistische Bewegungen wie der „Bund der Geächteten“ waren auf wandernde Handwerker beschränkt gewesen. In Köln hatten die Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels erst im April 1848 die Kommunistische Partei gegründet und im Herbst 1848 wurde in Berlin ein allgemeiner Arbeiterkongress veranstaltet, aus dem die erste überregionale Gewerkschaft, die Allgemeine deutsche Arbeiterverbrüderung hervorging. Sie fordert ein allgemeines Wahlrecht, Koalitionsrecht, Genossenschaften für Produktion und Konsum, Arbeitsnachweise, Gesundheitspflegevereine, Kranken- und Sterbekassen. Das „Erhebungsheer“ sollte in Schleswig-Holstein aus Sicht der Gemeinsamen Regierung in erster Linie die „offene Anarchie“ verhindern, und „eine soziale und demokratische Revolution im Keim ersticken.“ Der preußische Oberbefehlshaber Bonin griff zum Beispiel mit Härte durch, als 50 Pioniere seine Strafmaßnahmen als übertrieben kritisierten, indem er sie der Meuterei anklagte und zum Tode verurteilen ließ. Aufgrund massiver Protest wurden diese jedoch nicht vollstreckt. (Jessen, S.132f) Moltke hielt sich zu dieser Zeit in Berlin auf, um den preußischen König zur Rücknahme des Abzugs der preußischen Offiziere aus den Herzogtümer zu bewegen.
Als der Waffenstillstand am 27. März 1849 wegen der fehlenden Uneinigkeit in der Frankfurter Nationalversammlung, ob ihm zugestimmt werden sollte oder nicht, auslief, kündigte Dänemark den Vertrag von Malmö. Die Gemeinsame Regierung trat zurück und wurde durch eine Statthalterschaft aus Beseler und Graf Reventlow-Preetz ersetzt.
Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. war gerade von der Nationalversammlung zum deutschen Kaiser gewählt worden, der diese vom Volk übertragene Würde aber mit den Worten ablehnt, die Krone sei ein „aus Dreck und Letten gebackener Reif“. (Jessen, S.136) Damit war auch das Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung gekommen, und alle Träume von einer nationalen Einigung unter demokratischen Vorzeichen waren beerdigt. Der König gewährte für Preußen eine Verfassung mit einem nach dem Dreiklassenwahlrecht zusammengesetzten Abgeordnetenhaus und gründete die „Deutsche Union“, einen Bund von 28 deutschen Fürsten. Damit war außer mit Bayern und Württemberg bereits der Umfang des späteren Deutschen Reichs erreicht.
Mit dem Ende des Waffenstillstandes begannen die Feindseligkeiten zwischen Schleswig-Holsteinern und Dänen erneut. Am 5. April griffen dänische Kriegsschiffe Küstenbatterien bei Eckernförde an, was mit einer dänischen Niederlage endete, ebenso ging es bei Düppel und Kolding. Bei Fredericia aber siegten die Dänen über das schleswig-holsteinische Belagerungsheer und es kam durch russische Drohung unter britischer Vermittlung zum Berliner Waffenstillstand mit Besetzungen und internationaler Verwaltung des Herzogtums Schleswig.
1850 schlossen Dänemark, Preußen und der Deutsche Bund Frieden auf der Grundlage des status quo. Das schleswig-holsteinische Erhebungsheer versuchte ohne weitere militärische Unterstützung von außen dennoch weiterzukämpfen. Die entscheidende letzte Schlacht bei Idstedt endete mit großen Verlusten auf beiden Seiten und einem Sieg der Dänen. An diesen Sieg sollte der berühmte Idstedter Löwe erinnern, der in der Folge eine bewegte Geschichte erlebte. Erst 1862 zur Erinnerung an die dänischen Gefallenen in Flensburg aufgestellt, wurde er bereits 1864 nach dem preußisch-österreichischen Sieg wieder von seinem Sockel entfernt, 1867 nach Berlin transportiert und 1945 nach Kopenhagen geschafft. Eine Kopie steht aber noch heute am Wannsee in Berlin. In vielen Orten – auch in Barmstedt – wurden Ehrenmale, v.a. in Kirchen, zum Gedenken an die Gefallenen der Erhebung aufgestellt. Das Schleswig-Holstein-Lied wurde verboten, ebenso die blau-weiß-roten Fahnen.
Das Scheitern der Revolution in Deutschland und der schleswig-holsteinischen Erhebung führte zur Emigration vieler Demokraten. Zwar erließ der dänische König 1851 ein Amnestiegesetz, 20 Aufrührer wurden davon jedoch ausdrücklich ausgeschlossen, für andere gab es keine Anstellung mehr. Prominente Auswanderer nach Amerika waren Hans Reimer Claussen, Friedrich Hedde und Theodor Olshausen. Letzterer wurde in Iowa Chefredakteur einer Zeitung und verurteilte scharf die Sklaverei. Er kehrte zwar 1865 nach Europa zurück, ging aber in die republikanische Schweiz. Ein anderer Prominenter war Graf Adalbert Baudissin, der 1864 ein sehr kritisches Buch über die sozialen und politischen Verhältnisse unter dem Titel „Peter Tütt in Amerika“ veröffentlichte. Allein in den ersten 5 Monaten des Jahres 1851 wanderten 3600 Schleswig-Holsteiner nach Amerika aus. Viele Idstedt-Veteranen kämpften im Bürgerkrieg gegen die Sklavenstaaten des Südens. (Degn, S.236f)
Ein anderer prominenter Auswanderer, der allerdings zunächst nur bis nach Hamburg ging, war Matthäus Friedrich Chemnitz. Auch sein Bruder Martin war in Idstedt umgekommen. Er selbst wurde zunächst Redakteur der „Hamburger Nachrichten“, siedelte aber bald nach Würzburg um, wo er zunächst bei der Main-Dampfschiffahrtsgesellschaft als Sekretär, später beim Polytechnischen Verein als Historiker arbeitete. Er heiratete 1855 Marie Katharine Wittmann in der Barmstedter Kirche, zog aber mit ihr wieder nach Würzburg und gründete dort eine Familie. (Dössel, Stadt und Kirchspiel, S. 231f)
Im November 1850 wurde die „Punktuation von Olmütz“ geschlossen, bei der Preußen sich verpflichtete, die kleindeutsche Sammlungspolitik aufzugeben und auf Druck der beiden Großmächte Großbritannien und Russland sich verpflichtete, aus Schleswig-Holstein abzuziehen. Die Statthalterschaft wurde beendet und ein dänischer und zwei deutsche Kommissare übernahmen die Regierung in Holstein. Die Statthalter hatten auf eine Volksbewaffnung verzichtet, denn: „Zwei Feinde sind es, die uns drohen: die Despotie Dänemarks von der einen und die Demokratie von der anderen Seite…“ So urteilte das bürgerliche Mitglied der ehemaligen „Gemeinsamen Regierung“ Boysen. (Jessen, S. 140) 1851 erhielt der dänische König seine vollen landesherrlichen Rechte auf Holstein zurück. Den Schlusspunkt setzte der Londoner Vertrag vom 8.Mai 1852.
In diesem Londoner Protokoll wurde durch alle europäischen Großmächte Dänemarks Gesamtstaatlichkeit anerkannt und die Billigung einer gemeinsamen Erbfolge für Dänemark und die Herzogtümer. In dieser Zeit traf die Kopenhagener Regierung sehr umstrittene repressive Maßnahmen, um Schleswig in den dänischen Staat zu inkorporieren und gleichzeitig Holstein und Lauenburg auszusondern. Das Letztere geschah durch Auflösung der gemeinsamen Behörden und getrennte Zuständigkeiten für Holstein-Lauenburg. 1854 wurden von Kopenhagen zudem Ständeverfassungen für Holstein und Schleswig oktroyiert. Einige dieser Maßnahmen standen jedoch in Widerspruch zu den Abmachungen von 1852, was zu Protesten der holsteinischen und lauenburgischen Ständeversammlungen beim Deutschen Bund und zu einer erneuten deutschlandweiten Diskussion der Schleswig-Holstein-Frage führte. (Bohn, S.93)
Die letzte dänische Phase beginnt
Die Familie Moltke und Barmstedt
Siehe dazu das Kapitel: Bernhard Adolf Erdmann Georg von Moltke
Barmstedt, Großendorf und Rantzau 1850 bis 1863
Auch an Barmstedt und Rantzau waren die revolutionären Unruhen nicht vorbeigegangen. Neben der national betonten Begeisterung für Schleswig-Holstein, die in der Gründung von Vereinen wie der Liedertafel und dem Schützenverein zum Ausdruck kam, beteiligten sich auch viele Barmstedter und Dorfbewohner aus dem Kirchspiel an den Erhebungskriegen. Die Gedenktafel in der Barmstedter Kirche am nördlichen Seitenausgang erinnert bis heute an die eigenen Toten von damals.
Als Adolf von Moltke die Administratur erhielt, war als Amtsverwalter der Grafschaft bereits seit 1843 an dieser Stelle Matthias Heinrich Theodor Rauert tätig. Die auf den Lithografien wiedergegebenen Szenen erwecken den Eindruck von einer Rantzauer Idylle, die allerdings in scharfem Kontrast steht zu den politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnissen dieser Zeit. Die Zeichnung oben links stammt vom Elmshorner Lithografen R. von Duhn. Die übrigen von Rauert. Man erkennt aus der Grundrisszeichnung der Schlossinseln, dass aus den drei Wohninseln, die noch 1805 existierten, zu Rauerts Zeit bereits zwei geworden waren, als nämlich 1818 aufgrund des Vorschlags von Stratens der Wasserlauf zwischen der ersten und zweiten zugeschüttet worden war (s. o.). Der ganze Komplex war mit dem Vorwerk durch eine Brücke verbunden, die allerdings seit 1836 nicht mehr allabendlich geschlossen wurde. Die Zugbrücke wurde abgebaut.
Rauert war 1840 bekannt geworden durch sein Buch „Die Grafschaft Rantzau“. In seiner Zeit als Amtsverwalter zeichnete er hierzu die oben abgebildete Karte der Grafschaft, die heute als wertvolle zeitgenössische Quelle Grenzen, Wege und Flächennutzungen von 1852 deutlich macht.
Neubauten auf Rantzau
Trotz der politisch aufgeladenen Situation ließ der dänische Staat auf Rantzau neue Gebäude errichten. 1863 wurden das alte Gerichtsgebäude auf der mittleren Schlossinsel und die alte Kornwassermühle abgerissen und durch moderne Gebäude ersetzt, die heute noch stehen. Die Rantzauer Wassermühle erhielt jetzt ihre beiden hintereinander laufenden Wasserräder, die einzigen ihrer Art in den Herzogtümern. Zunächst war der Antrieb unterschlächtig ausgeführt, kurze Zeit später wurde bereits umgebaut und die Räder oberschlächtig betrieben. Von jetzt an lief das Wasser der Krückau von oben auf die Schaufeln herab. Die Modernisierung war wohl nicht nur wegen Verschleißes der alten Maschinerie nötig geworden. Seit 1854 stand sie im Wettbewerb, da der Mühlenzwang für die Bauern weggefallen war. Der Mühlenpächter Bornholdt musste investieren, um die Mehlqualität, die Kapazität und Verlässlichkeit zu verbessern. Zur Homepage der Rantzauer Wassermühle
Das nebenstehende Bild von der Rantzauer Wassermühle, das Peter Steenbuck als eines seiner ersten Barmstedt-Bilder in den 1950er Jahren aufgenommen hat, dürfte die Situation von 1863 bis 1962 ziemlich genau wiedergeben. Hinten ist die alte Mühlenscheune zu sehen, in der Mitte das Müllerhaus. Beide waren im Jahre 1815 gleich nach Ende der napoleonischen Kriege erbaut worden. Auf dem Balken über der Grootdör des Müllerhauses war eingeschnitzt: FR VI (Friedrich VI.) den 14ten Seot.1815. Vorn ist die neue Mühle von 1863 zu sehen. Die beiden schönen reetgedeckten Häuser wurden leider 1962 bzw. 1970 abgerissen, die Scheune nach einem Sturmschaden. Die Straße zwischen Mühlengebäude und Burggraben war eine Landstraße. Nach Süden bog sie hinter dem Müllerhaus ab und führte dort weiter nach Bevern. Nach Heede ging es geradeaus weiter.
Da die Rantzauer Wassermühle vollständig von der Menge des zur Verfügung stehenden Wassers – als einziger Energiequelle – abhing, hatte der Müller das Staurecht. Ab Herbst durfte er die Krückau bis zum Frühjahr aufstauen, um immer genügend Energie zur Verfügung zu haben. Dadurch entstand regelmäßig im Winterhalbjahr ein seeähnliches Gewässer auf den sumpfigen Krückauwiesen, ein Bild, das ein wenig an den heutigen Rantzauer See erinnert.
Im Flecken nebenan, in Barmstedt, entstanden in den 1850er Jahren mehrere neue Gebäude, die zum Teil heute noch existieren. Auf dem Bild links erkennt man das neue große Haus der Witwe Pohlmann. Sie hatte neben die Rodesche Privilegierte Apotheke einen Gerbereibetrieb gebaut, aus dem später ein Arzthaus wurde. Seit 1953 residiert hier das Amt Rantzau. Daneben sieht man das Predigerhaus an der Kirchenstraße, heute Kirchenstr. 4. Es wurde 1852 mit einem riesigen Straßengiebel neu erbaut, der später aber entfernt wurde. Es wurde im Frühjahr 1853 von Pastor Redling bezogen. Das dritte Bild zeigt im Hintergrund das gleiche Haus ohne Giebel. Gegenüber dem Pastorat, in der kleinen Kirchenstraße, baute ein Herr Erhorn ein großes Bürgerhaus, das aber 1863 abbrannte. An gleicher Stelle ließ Edmund Reimers dann das hier sichtbare Wohn- und Geschäftshaus errichten, in dem er eine Buchhandlung eröffnete.
1853 war endlich mit dem Bau der Chaussee zwischen Barmstedt und Elmshorn begonnen worden. Sie war die erste befestigte Verbindung zwischen beiden Flecken der Grafschaft. Zwischen Voßloch und Barmstedt war der Streckenverlauf vorher sehr krumm gewesen, jetzt wurde er begradigt, wie auf dem nebenstehenden Bild zu sehen ist. Nach Süden, also Richtung Bevern/Pinneberg und Heede, führte die Landstraße damals über Rantzau, alle Fuhrwerke mussten die enge Stelle zwischen den Gebäuden der Wassermühle und dem Burggraben passieren.
Ebenfalls in den 1850er Jahren errichtete Peter Grelck neben der Eggerstedtschen Windmühle in der Feldstraße ein Sägewerk. Dieser neue – wahrscheinlich erstmals mit Windkraft angetriebene – Holzbetrieb wird der Grund gewesen sein, dass ab 1872 Jasper Grelck große sandige Flächen östlich von Barmstedt aufkaufte und aufforstete. Seidem kennen die Barmstedter ihre Grelckschen Tannen, eines der wichtigsten Naherholungsgebiete der Gegend.
Nach 127 Jahren wurde die Orgel in der Heiligen-Geist-Kirche repariert und verändert. Im obrigkeitlichen Stil der Zeit wurde der Kirchenvorstand folgendermaßen in Kenntnis gesetzt:
„Der Kirchenjurat J. C. Willing in Barmstedt wird hierdurch befehligt und geladen, am Mittenwochen den 15. April d. J. Morgens 10 Uhr im hiesigen Gerichtshause zu erscheinen, um wegen des projektierten Barmstedter Orgelbaues Mittheilungen zu empfangen. Königl. Administratur zu Ranzau den 11. April 1857“.
Die sog. Hauptreparatur wurde von der Fa. Marcussen in Apenrade durchgeführt. „Bei dieser Reparatur wurde in spieltechnischer Hinsicht zwar vieles verbessert, das klangliche Bild der Orgel wurde aber leider sehr verändert. So wurden fast 1000 der herrlichen Pfeifen einfach entfernt und dafür neue Register eingebaut, die in einer Barock-Orgel wie Fremdkörper wirkten und den einheitlichen Gesamtklang der Orgel störten…Zu dieser Zeit wurde auch der helle Anstrich der Orgel angeschliffen und das Gehäuse mit Mahagonifarbe angestrichen.“ (Heinz Aude)
Auf dem Bild ist die Orgel noch mit dem alten dunklen Anstrich und ohne Rückpositiv zu sehen, also etwa in dem Zustand von 1857. Mit der Orgelreparatur 1960 wurde sie um das Rückpositiv erweitert und zum Kirchenjubiläum 1968 farblich so gestaltet, wie wir sie heute kennen.
Krimkrieg, Risorgimento und Amerikanischer Bürgerkrieg
Krimkrieg 1853-1856. Im Südosten Europas begann im Juli 1853 mit der russischen Besetzung der Donaufürstentümer Moldau und Walachei der Krimkrieg, in dessen Verlauf die Großmacht Russland (Zar Nikolaus I.) gegen das Osmanische Reich („Hohe Pforte“ unter Sultan Abdulmecid I./General Omar Pascha), Großbritannien (Queen Victoria/Lord Aberdeen) und Frankreich (Napoleon III.) kämpfte. Vordergründig ging es um die russische Forderung auf ein Protektorat in Palästina, um den orthodoxen Christen ein ungestörtes Beten in der Grabeskirche zu ermöglichen. Dahinter stand jedoch die Absicht, das zwar noch gigantisch große, aber von innerem Zerfall bedrohte („der kranke Mann am Bosporus“) Osmanische Reich in die Knie zu zwingen und die Kontrolle über den Bosporus, die Dardanellen und den Balkan zu bekommen. Unterstützt wurde diese Strategie von dem seit Beginn des Jahrhunderts in der russischen Gesellschaft immer stärker werdenden Panslawismus, der die Unterstützung der Aufstände in den von den Osmanen beherrschten Balkanstaaten forderte. Großbritannien und Frankreich schlossen 1854 förmlich einen Kriegshilfevertrag mit den Osmanen, Österreich forderte – ohne in den Krieg einzgreifen – Russland auf, sich aus den Donaufürstentümern zurückzuziehen und marschierte schließlich ohne Kriegshandlungen dort ein. Damit war die „Heilige Allianz“ der Fürsten Europas von 1815 endgültig beendet und für Preußen entstand so eine wesentlich günstigere Situation, seine Machtstellung innerhalb des Deutschen Bundes auszubauen.
Am Aufbau der osmanischen Festungslinie an der Donau und an der Ausbildung der Truppen hatte der Bruder des neuen Rantzauer Administrators, zunächst dänische, dann preußische Offizier Helmuth von Moltke entscheidenden Anteil gehabt, als er 1835-39 als Militärberater in osmanischen Diensten stand. Über seine Jahre im Orient hatte er das Buch „Unter dem Halbmond“ mit dem Untertitel „Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839“ verfasst. Dieses Buch und seine Adjutantenstellungen bei Mitgliedern der preußischen Herrscherfamilie machten ihn interessant für den preußischen Generalstab, an dessen Spitze er schließlich 1858 stand. Seit 1850 war er zudem politisch zu einem Anhänger einer antirevolutionär-konservativen kleindeutschen Einigungsbewegung geworden. (Jessen, S. 147)
Der Krimkrieg wurde nach dem freiwilligen Rückzug der Russen aus den Donaufürstentümern 1854 zu einem Invasionskrieg der Franzosen und Briten, als sie nach der Landung in Warna (Bulgarien) statt einen Waffenstillstand zu akzeptieren, sich auf die Eroberung der Krim konzentrierten. Auch in der Ostsee beschossen die Briten russische Ziele und konnten die Festung Bormasund und Suomanlinna im damals russischen Finnland erobern. Auf der Krim konnte schließlich trotz hoher Verluste durch Cholera und Krieg der russische Kriegshafen Sewastopol eingenommen werden. Im März 1856 schlossen die Kriegsgegner – zum antirussischen Bündnis war seit Januar 1855 auch das Königreich Sardinien-Piemont dazugekommen – den Frieden von Paris. Festgelegt wurde die Integrität der Türkei, die Zugehörigkeit der Donaumündungen und eines Teils Bessarabiens zum Fürstentum Moldau, freie Schifffahrt auf der Donau und Neutralität des Schwarzen Meeres.
In Italien bestand ähnlich wie in Deutschland eine starke nationale Einheitsbestrebung, das Risorgimento. Das Land war ebenso in kleinere Fürstentümer unterteilt und stand nach den verlorenen Kämpfen in der revolutionären Zeit 1848/49 weiterhin unter der Herrschaft des Papstes und konservativer Fürsten, die mit der Habsburger- oder Bourbonen-Linie verwandt waren. Die demokratische Bewegung war hier wie überall in Europa stark geschwächt. Der Kampf um das „Risorgimento“ (dt. „Wiedererstehung“, Bezeichnung für die sozialen und politischen Bewegungen zur Herstellung eines Nationalstaats) wurde deshalb jetzt vom Königreich Sardinien-Piemont mit außenpolitischer Unterstützung und unter konservativen Vorzeichen geführt. Deshalb war das kleine Königreich unter Ministerpräsident Graf Cavour an der Seite Frankreichs in den Krim-Krieg eingetreten und hatte die politische Schwäche Österreichs ausgenutzt, um einen Bündniskrieg um das österreichisch beherrschte Norditalien zu führen. In der extrem verlustreichen Schlacht von Solferino beim Gardasee konnten die österreichischen Truppen geschlagen werden, so dass Sardinien-Piemont im November 1859 die Lombardei erhielt. Frankreich erhielt als Gegenleistung Nizza und Savoyen. In der Toskana war während des Krieges der habsburgische Großherzog gestürzt worden, woraufhin in Volksabstimmungen die Zugehörigkeit der österreichischen Herrschaftsgebiete zu Sardinien-Piemont gefordert wurde. Der im Gegensatz zu Cavour eher republikanisch ausgerichtete Guiseppe Garibaldi landete im Mai 1860 im „Zug der Tausend“ in Sizilien und eroberte mit Hilfe eines Volksaufstands das Königreich beider Sizilien. Um der Ausrufung einer Republik durch Garibaldi zuvorzukommen, eroberten die Truppen des sardinischen Königs Viktor Emanuel II. mit Zustimmung Frankreichs die Kirchenstaaten Umbrien und Marken und vereinigten sich schließlich mit den Freischärlern Garibaldis. Dieser unterwarf sich einem Plebiszit und erkannte Viktor Emanuel II. als König an. Im März 1861 wurde die neue italienische Monarchie in Turin ausgerufen.
Amerikanischer Bürgerkrieg 1861-65: Etwa zur gleichen Zeit begann in den USA der Sezessionskrieg der Südstaaten gegen die in der Union verbliebenen Nordstaaten. Ausgelöst wurde er durch den Protest des Südens gegen die Wahl Abraham Lincolns zum Präsidenten, der in grundlegenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen in Konfrontation zu den politisch führenden Schichten der Sezessionisten stand. Im Vordergrund stand dabei die Sklavereifrage, an der sich die Gegensätze beider Seiten am stärksten zeigten. In diesem ersten modernen Krieg starben mehr Amerikaner als in allen US-Kriegen bis heute. Zum ersten Mal wurden Eisenbahnen und Torpedos sowie andere moderne Waffen eingesetzt. Er endete erst 1865 mit dem Sieg der Union und führte zum Aufstieg der USA zur Großmacht. Das wiedergegebene Foto von Alexander Gardner gehört zu den ersten fotografischen Kriegsdokumenten der Geschichte.
Industrielle Revolution und Arbeiterbewegung
Während der 1850er und 1860er Jahre vollzog sich der Durchbruch zur Industriellen Revolution. Gerade die bürgerlichen Schichten profitierten von einer weltweiten Hochkonjunktur, dem Eisenbahnbau, Chausseebau, der Montanindustrie und neuen Maschinen. Großunternehmen, Großbanken und Aktiengesellschaften entstanden und die Kommunikation wurde durch Erfindungen wie die Telegrafie (ab 1850 hatte sich die Morsetechnik durchgesetzt), schnellere Postverbindungen und eine expandierende Presselandschaft wesentlich vereinfacht. Wirtschaftspolitisch war durch den Deutschen Zollverein ein gemeinsamer Markt für die Länder der kleindeutschen Sammlung entstanden, ausdrücklich ohne die Habsburger Länder und unter preußischer Vorherrschaft. Hamburg, das Königreich Hannover und die Herzogtümer gehörten noch nicht dazu, konnten aber bereits davon profitieren. Politisch und sozial wurde der Nationalismus durch die neuen geselligen Formen von Sänger-, Schützen-, Turnvereinen, Burschenschaften, durch gesamtdeutsche Verbände, z.B. den „Deutschen Nationalverein“, die „Deutsche Fortschrittspartei“, Schiller-Feiern und Historiker wie Droysen, Sybel, Mommsen und v.a. Treitschke immer stärker verankert in der Gesellschaft. Gleichzeitig wurde aber auch der Gegensatz zwischen Arbeitern und Bürgertum immer deutlicher. Eine Klassengesellschaft entstand und löste nach und nach die ständische Gesellschaft ab. Der Adel behielt zwar in vielen Bereichen, v.a. im Militär, weiterhin ersten Zugriff auf die führenden Posten, aber seine Grundlage, der feudale Grundbesitz, verlor mit der Zunahme der Industrie immer mehr an Bedeutung.
Arbeiterbewegung entsteht: In Leipzig wurde am 23. Mai 1863 unter Mitwirkung der Abgesandten von Arbeiterversammlungen aus Leipzig, Hamburg, Harburg, Köln, Düsseldorf, Elberfeld, Barmen, Solingen, Frankfurt am Main, Mainz und Dresden der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) unter maßgeblichem Einfluss des Journalisten Ferdinand Lassalle gegründet. Diese Arbeiterorganisation, die aus den liberal ausgerichteten Arbeiterbildungsvereinen hervorgegangen war, verstand sich als „Vertretung der sozialen Interessen des deutschen Arbeiterstandes“ und vertrat vor allem die Forderung nach einem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht. Lassalle, der bereits ein Jahr nach Gründung des ADAV starb, hatte das „eherne Lohngesetz“ vertreten, nach dem die Reallöhne nie höher sein würden, als zur Ernährung der notwendigen Menge an Arbeitern notwendig war, daher nur vom Staat eine Lösung zur Verbesserung der Lage der Arbeiter zu erwarten war. Gewerkschaften würden demgemäß nichts grundsätzlich ändern können. Die politische Linie wurde von Karl Marx und Friedrich Engels kritisiert, da sie zunächst für ein Bündnis der Arbeiterklasse mit dem liberalen Bürgertum zur Überwindung der Reaktion eintraten. Wilhelm Liebknecht, der hier die Marxsche Position vertrat, wurde 1865 aus dem ADAV ausgeschlossen, gründete dann aber mit August Bebel und anderen zunächst die Sächsische Volkspartei, die 1869 in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) aufging. Erst 1875 schlossen sich beide Parteien zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands SAPD zusammen, aus der 1890 die SPD wurde.
In Barmstedt gab es zu dieser Zeit bereits einen Ortsverein der SDAP, er wurde auf dem Vereinigungskongress – zusammen mit den Gruppen in Pinneberg und Uetersen – von H. Fahl vertreten.
Innerhalb von Preußen war es vor 1863 zum Verfassungskonflikt zwischen König und Parlament gekommen. Durch den Vertrag von Olmütz war Preußen politisch gegenüber Österreich in die Defensive gedrängt worden. In dieser Situation kam es innenpolitisch unter dem neuen König Wilhelm I. zu einem harten Kampf um eine Heeresreform. Der König, der Chef des Militärkabinetts von Manteuffel und der Kriegsminister von Roon wollten die von Scharnhorst und Boyen im Krieg gegen Napoleon geschaffene „Landwehr“ zugunsten des „Linienheeres“ zurückdrängen. Die liberale Mehrheit im preußischen Abgeordnetenhaus sah in der Landwehr dagegen eine Parlamentsarmee und wollte sie erhalten. In dieser auf einen Staatsstreich zuzielenden Situation wurde Otto von Bismarck, ein konservativer ostelbischer Junker, vom König als letztes Mittel zum Ministerpräsidenten ernannt. Gegen den Landtag setzte der die Heeresreform durch u. a. mit den berühmten Worten in seiner Landtagsrede: „Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht.(…) Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 gewesen-, sondern durch Blut und Eisen.“ (Jessen, S.166)
Bundesexekution gegen Dänemark und Deutsch-Dänischer Krieg von 1864
Im November 1863 starb der dänische König Friedrich VII. Sein Nachfolger Christian IX., König von Dänemark etc., billigte unter dem Druck der Eiderdänen ein neues dänisches Grundgesetz, in dem das Herzogtum Schleswig in den dänischen Staat einverleibt wurde.
In den Herzogtümern löste diese als Annektion verstandene Entscheidung sofort deutsch-nationale Gefühle und entsprechende politische Reaktionen aus. Friedrich VIII., der Sohn des Augustenburger Herzogs Christian August, meldete sofort mit der Dolziger Proklamation vom 16.11.1863 in Konkurrenz zum gerade auf den dänischen Thron gestiegenen Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg seine Ansprüche auf beide Herzogtümer an und berief sich auf das Staatsgrundgesetz von 1848. „Wieder schwappt eine Woge nationaler Begeisterung durch alle Länder des Bundes. Vereine, die den Augustenburger unterstützen, schießen hundertfach wie Pilze aus dem Boden. Versammlungen, Bittschriften, Spendenaufrufe und Zeitungsartikel – allerorts fordern Nationalisten die Ausrufung eines `Herzogtums Schleswig-Holstein´. Aus dem Wunsch nach Selbstregierung ist vollends ein nationales Anschlussprogramm entstanden.“ (Jessen, S. 167)
Überall in Deutschland schossen Schleswig-Holstein-Vereine wie Pilze aus dem Boden, „um die Agitation für den „Herzog“ und die Herzogtümer, für die „Wehrbarmachung der Volkskräfte“ und die Aufstellung von Freiwilligenverbänden voranzutreiben. Vor allem die Turner- und Schützenvereine schlossen sich unter dem Motto „jetzt oder nie“ dieser Aufbruchstimmung an und hielten militärische Übungen zum Beispiel in Parkanlagen ab.“ (Zimmermann, S.13f) Dieser nationale Enthusiasmus, der im Gegensatz stand zu den preußischen Zielen, ergriff auch Demokraten wie Klaus Groth und Theodor Storm. Letzterer beschwor die toten Krieger von Idstedt in den „Gräbern in Schleswig“ noch einmal in den Krieg zu ziehen. Der Augustenburger Herzog bereitete mit seinen Unterstützern in vielen Städten Holsteins den Aufbau einer schleswig-holsteinischen Armee vor. In diesem Sinne rief auch der Norddeutsche Schützenbund seine Mitglieder dazu auf, wieder wie schon 1848 zu den Waffen zu greifen. Aus ganz Deutschland meldeten sich Freiwillige für die geplante Armee und es trafen Spendengelder für deren Ausrüstung ein.
Bundesexekution führt zur Besetzung Holsteins durch deutsche Truppen: Bismarck allerdings hatte andere Ziele als die schleswig-holsteinische Opposition. Er wollte keinen zusätzlichen deutschen Bundesstaat, sondern eine Vergrößerung des Preußischen Königreichs. Diese Absicht blieb allerdings zunächst geheim. Er berief sich stattdessen auf das Londoner Protokoll, gegen das die dänische Regierung verstoßen hatte. So konnte er Österreich zu einer Allianz gegen Dänemark bringen. Ein preußisch-deutsches Ultimatum und ein Beschluss zur Bundesexekution gegen Holstein führten schließlich dazu, dass am Tag vor dem Heiligen Abend 1863 Truppen aus Sachsen und Hannover die Grenze zum Herzogtum Holstein überschritten, während die Dänen sich hinter das Danewerk bei Schleswig zurückgezogen hatten.
Die sächsische und hannoversche Besetzung Holsteins – noch ohne die Preußen – führte zunächst zu einer Zwangsverwaltung im Namen des Deutschen Bundes, was besonders für die leitenden Beamten Folgen hatte: Diejenigen, die 1852 auf den dänischen König den Eid geleistet hatten, sollten aus ihrem Amt entlassen und vertrieben werden. Zu ihnen hatte auch der Administrator Adolph von Moltke auf Rantzau gehört. Ausgerechnet in seinem Verwaltungsbereich, der Grafschaft Rantzau, versammelten sich schon am 27. Dezember 1863 in Elmshorn auf dem Probstenfeld 20.000 Menschen und leisteten den Treueschwur, um den Augustenburger Herzog zum „Herzog von Schleswig-Holstein“ auszurufen und damit den nationalen Anschluss an den Deutschen Bund zu fordern. Das holsteinische Komitee des Deutschen Nationalvereins wollte durch diese Aktion erreichen, dass der Rückenwind der von Süden eingerückten Truppen zu einem eigenständigen deutschen Bundesstaat Schleswig-Holstein genutzt werden konnte. In allen größeren Orten südlich der Eider wurden solche Kundgebungen organisiert, aber dieses war die größte, denn der Ort war durch den Eisenbahnanschluss mitten in Holstein günstig gelegen. (Zimmermann, S. 14)
Der Antrag auf Vertreibung der Eidleister unter den Beamten fand hier jedoch keine Mehrheit, möglicherweise weil in diesen bürgerlichen Kreisen die Angst vor dem Chaos einer sozialen Revolution durch den „Vierten Stand“, die Arbeiterschaft, zu stark war. In den Zeitungen „Hamburger Presse“ und den „Schleswig-Holsteinischen Blättern“ wurden jedoch Anklagen gegen Moltke laut, er „habe Amtspflichten vorgetäuscht, um nicht an einem allgemeinen Bettage mit andächtig angehörten Reden der Pastoren Harder und Gardthausen teilnehmen zu müssen.“ (Jessen, S. 170) Als Ende Januar preußische Truppen frostig von der Bevölkerung empfangen wurden, stand Moltke wieder unter höherem Schutz durch den neuen Zivilkommissar, der erklärte, „die treuen Beamten gegen Bedrohung und Verjagung durch das Volk zu schützen.“ (ebd.) In Itzehoe hatte sich wie in vielen Städten eine Bürgerwehr gebildet, die forderte, „sich dem erwähnten Einmarsche österreichischer und preußischer Truppen gewaltsam zu widersetzen, ihnen zumindest die Subsistenzmittel zu verweigern“. (Zimmermann, S.15)
Neben den Bürgerwehren organisierte sich die Opposition jetzt in Schleswig-Holsteinischen Vereinen und Kampfgenossenschaften. Während die Vereine die Honoratioren des Bildungs- und Besitzbürgertums umfasste, also Advokaten, Ärzte, Apotheker, Lehrer, Fabrikanten und Kaufleute, wurden die „kleinen Leute“ als ehemalige Kämpfer der „Schleswig-Holsteinischen Erhebung“ mit den Kampfgenossenschaften oder Kriegervereinen angesporchen. Auch in Barmstedt wurden beide Vereine gegründet, so dass es neben dem Schützenverein, dem Turnverein, der Liedertafel und dem Evangelischen Frauenverein auch neue dezidiert politische Vereine gab. Eine führende Rolle im Schleswig-Holsteinischen Verein spielte der Apotheker und spätere Bürgermeister Otto Rode, was aus der Tatsache hervorgeht, dass er 1868 – nach dem Verbot der Schleswig-Holsteinischen Vereine duch die preußische Regierung – das Vereinsvermögen von 100 Courantmark im Auftrag seiner Mitglieder dem Evangelischen Frauenverein übergab.
Die politische Zielrichtung der Kampfgenossenschaften bestand 1. in einer vollständigen Trennung der Herzogtümer von Dänemark, 2. keiner Teilung Schleswigs, 3. keiner Entscheidung ohne Zustimmung einer frei gewählten schleswig-holsteinischen Volksvertretung und des Herzogs. (ebd. S.20)
Deutsch-dänischer Krieg: In Berlin drängte Generalstabschef von Moltke den Kanzler Bismarck dazu, die Einverleibung beider Herzogtümer anzustreben. Ein neues, unabhängiges Herzogtum Schleswig-Holstein würde zum Satelliten Österreichs werden und für Preußen strategische Nachteile bedeuten. Bismarck ging jedoch diplomatischer vor und beschloss zunächst gemeinsam mit Österreich Schleswig als Pfand zu erobern und zu besetzen.
Damit kam es zum Deutsch-dänischen Krieg von 1864. Nach Verstreichen eines Ultimatums überschritten Truppen beider Mächte die Eider und konnten das Danewerk fast kampflos einnehmen. Die dänischen Truppen zogen sich hinter die Wälle von Düppel bei Sonderborg zurück, während die Angreifer zunächst weiter nach Norden vorrückten. Entgegen Moltkes Rat befahl König Wilhelm I. den Angriff auf Düppel, um durch einen schnelleren Erfolg England und Russland am Eingreifen zu hindern. Unter sehr hohen Verlusten gelang der Angriff und beinahe ganz Jütland wurde erobert. Am 9. Mai 1864 kam es zum Waffenstillstand, nach dessen Ende im Juni die Preußen unter Leitung Helmuth von Moltkes Alsen angriffen, wo sich die dänischen Truppen festgesetzt hatten. Die Dänen verloren 3148 Soldaten, die Preußen 372 und gewannen diese letzte Schlacht des Krieges.
Dänemark musste im Wiener Frieden am 30. Oktober 1864 auf die drei Herzogtümer Holstein, Schleswig und Lauenburg verzichten, wodurch nach 400 Jahren der dänische Gesamtstaat am Ende war. Der Augustenburger erhielt keinerlei Rechte und musste auf seine nächste Chance warten. Stattdessen verwalteten Österreich und Preußen die Herzogtümer als Kondominium. Dänemark musste neben den Herzogtümern auch die Enklaven an der Westküste abtreten, wozu Amrum, Sylt und Syd-Röm gehörten, erhielt dafür aber 7 Gemeinden bei Ripen und die Insel Aerö. Der riesige Idstedter Löwe, der – als dänischer Löwe – an die Gefallenen der Schlacht von Idstedt erinnern sollte – aber unmissverständlich in Richtung Süden schaute – wurde im Triumph von „Deutschgesinnten“ von seinem Sockel entfernt. Bismarck ließ ihn in Kisten verpacken und nach Berlin ins Zeughaus bringen. Der Krieg wurde von Theodor Fontane im ersten seiner drei Bücher über die Bismarckschen Kriege ausführlichst beschrieben. „Der Schleswig-Holsteinische Krieg im Jahre 1864“ erschien 1866. Er nimmt darin eine Position ein, die sowohl Bismarcks als auch die des Deutschen Bundes gleichmäßig berücksichtigt. Die Illustrationen machen die mythische Haltung im nationalen Kampf gegen die Dänen deutlich. In der englischen Grafik rechts werden die Opfer nüchtern in den Mittelpunkt gestellt.
Literatur
H.Aude, in Barmstedter Zeitung August 1960 (abgedr. in Festschrift zur Weihe der neuen Orgel, 1.4.1990)
Barmstedt 100 Jahre. Hrsg.: Stadt Barmstedt. Mit Beiträgen von Solveig Schönfelder, Heinz Starken, Rudolf Schröder, Harry D. Schurdel, Barmstedt 1995
Robert Bohn: Geschichte Schleswig-Holsteins, München 2006
I. Bremer: Kurzgefaßte Beschreibung und Geschichte von Schleswigholstein, für den Bürger und Landmann und zum Gebrauche in Schulen. Eine gekrönte Preisschrift, Oldenburg und Schleswig 1844
Brockmann, J.J.: Tagebuchblätter eines alten Barmstedters, mitgeteilt von H. Dössel, in: Heimatblatt, rutgewen vun de Holstengill in de Grafschaft Rantzau, 1. Jahrgang (1926), veröffentlicht auch in der Barmstedter Zeitung
Danker-Carstensen, Peter: Die Krückau – „Problemfluss“ oder Lebensader einer Industriestadt, in: Geschichte-s-hMitteilungen80
Christian Degn: Schleswig-Holstein – eine Landesgeschichte, Neumünster 1994
Bettina Dioum: Privatarchiv des Politikers Adolph v. Moltke im Landesarchiv, in: Geschichte-s-hMitteilungen80
Johann Friedrich August Dörfer: Topografie von Holstein in alphabetischer Ordnung. Ein Repertitorium zu der Karte vom Herzogthum Holstein, den Gebieten der Reichsstädte Hamburg und Lübeck, und des Bisthums Lübek. 3. verbesserte und vermehrte Auflage. Schleswig und Flensburg 1807
Hans Dössel: Stadt und Kirchspiel Barmstedt. Eine geschichtliche Schau. III. Heft, Barmstedt o.J.
Hans Dössel: Barmstedt – Geschichtliche Schau, Hrsg. Stadt Barmstedt, Husum 1988
Hans Dössel: Unsere Schulen, in: Barmstedt – Geschichtliche Schau, Hrsg. Stadt Barmstedt, Husum 1988
Wilhelm Ehlers: Geschichte und Volkskunde des Kreises Pinneberg, Elmshorn 1922, Nachdruck 1977
Theodor Fontane: Der Schleswig-Holsteinische Krieg von 1864, (1866) Nachdruck bei Ullstein Fontane Bibliothek 1978
Jan-Holger Frank: Eisenbahn und Bahnhof in Elmshorn 1840-1960, in: Beiträge zur Elmshorner Geschichte I, Elmshorn 1987
Gerhard Glismann: Das Reihergehölz. Selbstverlag Barmstedt 2007
Eggert Götsch: Von der Natur- zur Kulturlandschaft oder: Wie der Mensch seine Umwelt veränderte, in: Natur- und Landeskunde. Zeitschrift für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg. Hrsg. vom Verein DIE HEIMAT, gegr. 1890, H.10-12, 127. Jahrgang 2020
Hans Schultz Hansen: Demokratie oder Nationalismus – Politische Geschichte Schleswig-Holsteins 1830-1918, in: Ulrich Lange(Hrsg.): Geschichte Schleswig-Holsteins…
Hans-Albrecht Hewicker: Die Waldstadt Barmstedt und ihre Wälder, in: Jahrbuch des Kreises Pinneberg 1996, S. 105-119
Gerhard Hoch: Das Scheitern der Demokratie im ländlichen Raum. Das Beispiel der Region Kaltenkirchen/Henstedt-Ulzburg 1870-1933 (Gesellschaft für Politik und Bildung Schleswig-Holstein e.V.) Kiel 1988
Eckart Klessmann: Geschichte der Stadt Hamburg, Hamburg 1981
Ulrich Lange(Hrsg.): Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neumünster 2003
Ulrich Lange: Aufbruch in eine neue Zeit. Die Modernisierung der Infrastruktur, in: Geschichtsumschlungen. Sozial- und kulturgeschichtliches Lesebuch Schleswig-Holstein 1848-1948, Bonn 1996
Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt: Die Reichsgrafen zu Rantzau, in: Carsten Porskrog-Rasmussen, Elke Imberger, Dieter Lohmeier, Ingwer Momsen (Hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte): Die Fürsten des Landes. Herzöge und Grafen von Schleswig, Holstein und Lauenburg, Wachholtz Verlag Neumünster 2008, S. 405-417
Erich Maletzke: Schimmelmann. Schatzmeister des Königs (Roman), Neumünster 2009
Lothar Mosler: Wer war Adolf von Moltke? Erinnerungen an Persönlichkeiten unserer Stadt, in: Uetersener Nachrichten 45/1991
Karl Müllenhoff: Sagen Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig Holstein und Lauenburg, Kiel 1845 [2]
Hubertus Neuschäffer: Das Amt Barmstedt und ehemalige Grafschaft Rantzau. In: Schleswig-Holstein 11/1987
Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1984
Michael Plata: „Das habe ich nur getan wegen der Dösigkeit“. Auswirkungen des Heimatrechtes und eine Geburt auf offener Landstraße 1860. in: Jahrbuch für den Kreis Pinneberg 2011
Matthias Heinrich Theodor Rauert: Die Grafschaft Rantzau. Ein Beitrag zur genaueren Landeskunde. Mit einem Anhang über Barmstedt von H.Dössel. Wortgetreuer Abdruck der Auflage von 1840, Barmstedt 1936, Neuauflage Elmshorn 1983
Hans Wilhelm Ritschl: August von Hennings 1746-1826. Ein Lebensbild aus Holstein, Kopenhagen und Hamburg in bewegten Zeiten, Hamburg 1978
Johannes Schröder: Topograhie des Herzogthums Holstein des Fürstenthums Lübeck und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek von Johannes von Schröder (Capitain im Schleswigschen Infanterie-Regiment, R.v.D.. Erster Theil A-H. Oldenburg in Holstein 1841
Bernhard Theilig: Die Heiligen-Geist-Kirche in Barmstedt und ihre Geschichte. in: Jahrbuch für den Kreis Pinneberg 1980
Bernhard Theilig: Zur Geschichte des Bestattungswesens in Barmstedt, in der masch.schr. Broschüre „Friedhof Barmstedt 1988. Herrn Friedhofsverwalter Paul Harbeck als Abschiedsgeschenk“ von den Mitarbeitern. Barmstedt 1988
Bernhard Theilig: Die sieben Epochen in der Geschichte unserer engeren Heimat. Ein Überblick, in: Jahrbuch für den Kreis Pinneberg 1999
Hildemar thor Straten: Beschreibung der Grafschaft Rantzau 1823. Hrsg.: Helmut Trede Bokel 2005
Helmut Trede: Schlossinsel Rantzau. Ein geschichtlicher Rückblick. Im Selbstverlag 2011 (Zu erhalten u. a. in der Buchhandlung Lenz)
Helmut Trede: Die Hörner Dörfer – Aus der Geschichte von Bokel, Bokelseß, Brande-Hörnerkirchen, Osterhorn und Westerhorn (Selbstverlag 1989)
Ernst Adolf Wiechers/Bernhard Theilig: Der Gänsejunge aus Lutzhorn und der König, in: Jahrbuch für den Kreis Pinneberg 1999
Peter Wulf: „Das Wort Eisen ist es, was alles erklärt…“. Geschichte der Industrialisierung im Norden, in: Geschichtsumschlungen. Sozial- und kulturgeschichtliches Lesebuch Schleswig-Holstein 1848-1948, Bonn 1996
Harm-Peer Zimmermann: „…schmeiß die Preußen aus dem Land!“ – Die demokratische und augustenburgische Opposition in Schleswig-Holstein 1863-1881, in: Demokratische Geschichte, Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein VIII Neuer Malik Verlag 1993
Verfasser: Michael Theilig