Ab 1808 wurde August Adolph von Hennings (* 19. Juli 1746 in Pinneberg; † 17. Mai 1826 in Rantzau) neuer Administrator auf Rantzau und erster Bewohner des neuen Wohngebäudes für den Administrator auf der Schloßinsel. (Hier Näheres zu den Umständen) Er war die sicherlich interessanteste und auch bekannteste Persönlichkeit auf diesem Posten. Vor seiner Ernennung zum Administrator in dem von aller Politik weit abgeschiedenen, idyllischen Rantzau hatte er sich bereits einen Namen gemacht als Vorkämpfer der Aufklärung und Menschenrechte, Staatsmann und Schriftsteller.
Er stammte aus Pinneberg, war dort als Sohn des Amtmannes Martin Hennings geboren, dessen Hausarzt übrigens Struensee gewesen war, war in seiner Jugendzeit eng befreundet mit Ernst Heinrich von Schimmelmann, dem Sohn des dänischen „Schatzmeisters“, der selbst Finanzminister wurde, hatte zunächst zur Zeit Andreas Peter von Bernstorffs und Johann Friedrich Struensees am Hof in Kopenhagen verschiedene Verwaltungsämter bekleidet, erlebte Struensees Sturz dort mit, anfänglich bejahend, mit den Strafen aber nicht einverstanden, war befreundet mit dem neuen Minister Guldberg, wurde dann im dänischen diplomatischen Dienst nach Berlin geschickt und erlebte dort noch Friedrich II, den „Alten Fritz“. Hier befreundete er sich eng mit dem Philosophen Moses Mendelssohn, dem Vorbild für Lessings „Nathan den Weisen“, von dem er erfuhr, dass sein ehemaliger Schulfreund Kestner in Goethes „Leiden des jungen Werthers“ in völlig verdrehten Zusammenhängen dargestellt worden war, woher bei ihm eine tiefe Abneigung gegen Goethe entstand. (Ritschl, S.24) Seine Schwester war mit dem Professor am Akademischen Gymnasium in Hamburg Dr. Reimarus, dem Sohn des berühmten Vaters der Bibelkritik und Freund Lessings, Albert Reimarus, verheiratet und betrieb ihre „Teestube“ als literarischen Salon, in dem man die wichtigsten Werke der schöngeistigen Literatur und Philosophie las. Er stieg in Kopenhagen zwar zum Staatsrat auf, verließ dann aber nach einem Regierungswechsel die Hauptstadt, da sein ehemaliger enger Freund Ernst Schimmelmann, der 1784 nach dem Sturz Guldbergs Finanzminister wurde, ihn nicht mehr einbeziehen wollte, wahrscheinlich weil Hennings in seinem Epos „Olavides“ zu aufrührerische Gedanken geäußert hatte. (Ritschl, S. 40) Er verbrachte mit seiner Frau Eleonore und seinen kleinen Kindern drei Jahre in Schleswig, veröffentlichte jetzt seine „Philosophischen Versuche“, beeinflusst von Rousseau, Locke, Hume und Mendelssohn. 1785 folgte „Über die wahren Quellen des Nationalwohlstandes“, in dem er „Staatswirtschaft, Staatskunst und Staatsklugheit mit den Pflichten der Menschheit, mit Moral und Religion“ verbinden wollte (Ritschl, S. 58), und schließlich 1786 das vierbändige Werk „Gegenwärtiger Zustand der Besitzungen der Europäer in Ostindien“. 1787 erhielt er wieder eine Stelle, nämlich als Amtmann in Plön, wo er als Dienstsitz einen Flügel des Schlosses bewohnte. Die französische Revolution zwei Jahre später begrüßte er zunächst, wie fast alle Gebildeten und veröffentlichte dazu mehrere Schriften. 1793 gab Hennings eine Zeitschrift mit dem Titel „Schleswiger Journal“ heraus, die aber bald auf preußischen Druck hin verboten wurde, weil er hier mit dem revolutionären Schriftsteller Johann Heinrich Voß zusammenarbeitete. Daraufhin gab er eine neue Zeitschrift unter dem Titel Genius der Zeit heraus, die von 1794 bis 1802 erschien. Hier erschienen Artikel und kritische Berichte zu Politik und Literatur, die den Zeitgeist beschrieben. Er lieferte sich hier auch eine scharfe Auseinandersetzung mit Goethe, der zusammen mit Schiller den „Genius der Zeit“ und Hennings persönlich in seinen „Xenien“ und im Faust, Teil 1, angegriffen hatte. 1792 schrieb Hennings „Wider den Adelsgeist“, in dem er den Adel kennzeichnet als den „unermüdete(n) Empörer gegen Regenten und die Geißel des unteren Standes“ (Ritschl, S.76). Diese Kritik ist interessant, weil er selbst in den Adelsstand erhoben worden war und hoher Beamter eines monarchischen Staates war. Widerspruch erhielt er deshalb auch vom Emkendorfer Kreis, in dem ein konservativ-romantisches Staatsideal vertreten wurde. Dieser Kreis mit seinem literarischen Wortführer Matthias Claudius sah in Hennings wie in Herzog Friedrich von Augustenburg, Voß, Ernst Schimmelmann und Adam von Moltke seine Gegner. Als die Revolution 1792 mit den Septembermorden und der Jakobinerherrschaft unter Robespierre blutig wurde, kamen Flüchtlingswellen aus Frankreich in Hamburg und Holstein an, die auch von Hennings unterstützt wurden. Er unterhielt nach Ritschl in dieser Zeit teils enge Beziehungen zu Menschen wie Marquis de La Fayette, dem Helden der amerikanischen und französischen Revolution, jetzt aber in Ungnade gefallen, zu Jacobi, Voß und dem Gesandten der revolutionären französischen Regierung in Hamburg, Karl Friedrich Reinhard, dessen Schwager er schließlich wurde.
Hennings ab 1808 auf Rantzau: Möglicherweise um einen ruhigeren Ort als Plön zu finden, hatte von Hennings den regierenden Kronprinzen mehrfach um die durch Tod des Vorgängers im August 1807 freigewordene Stellung in Rantzau gebeten und erhielt sie schließlich im Mai 1808. Nach Hamburg, wo seine Töchter Cäcilie Wattenbach und Louise Sieveking wohnten, war es nur 4 Meilen und man konnte an einem Tag mit der Kutsche sowohl hin als auch zurück fahren. Auf Rantzau hatte Hennings im Bereich des Vorwerks einen großen Garten, den er nach den Tagebuchaufzeichnungen seiner Enkelin selbst angelegt hatte. Sie schreibt darüber:
„Eine tiefe Au, ein Mühlenteich und kleinere Kanäle bilden verschiedene Inseln, durch Brücken verbunden. Auf einer derselben liegt das Wohnhaus mit einem Wirtschaftsgebäude, durch eine Brücke mit einer Insel verbunden, die zur Bleiche dient. Zur anderen Seite führt eine Brücke auf eine dritte Insel, welche das Gerichtshaus trug, abermals führt eine vierte Brücke auf die vierte Insel mit dem Wohnhaus des Amtsverwalters und mit Hennings´ Kuhhaus und Pferdestall. Dieses Eiland verband eine Zugbrücke mit dem festen Lande, und dort befand sich erst der eigentliche Garten, ein Blumen- und Gemüsegarten. Rabatten mit Rosen und Johannisbeersträuchern und vielen Sommerblumen faßten lange gerade Wege ein. Buchenhecken bildeten Bogengänge; drei Fischteiche, ein Lusthaus, ein Brunnen und eine Mooshütte waren merkwürdige Punkte und die schönsten Erdbeerbeete breiteten sich verlockend zwischen Rasen und Fruchtbäumen aus. Ich glaube, daß dies alles noch nicht da war, als die Familie im Mai 1808 Besitz nahm von der neuen Stätte.“ (Ritschl, S. 157) Die Hamburger Enkelkinder befanden sich mit ihren Familien oft hier, da sie wie alle Hamburger unter den Folgen der französischen Besatzung zu leiden hatten. Hennings kaufte 1812 zu seinen Amtsäckern noch den Hof Bollenkuhlen und betrieb jetzt eine richtige eigene Landwirtschaft.
Der Hauslehrer J. Lohse, der die Hennings-Kinder auf Rantzau unterrichtete, zeichnete 1811 „nach den neusten Vermessungen“ die nebenstehende erste Karte der Grafschaft Rantzau, die zusammen mit der umfassenden Darstellung thor Stratens eine Fundgrube geografischer, ökonomischer und soziologischer Daten dieser Zeit ist.
Die Idylle auf Rantzau war in dieser Zeit sehr gestört durch das Verhältnis zwischen Hennings und dem Amtsverwalter thor Straten. Die Meinungsverschiedenheiten mündeten in gegenseitigen Beschwerden vor dem Schleswig-Holsteinischen Obergericht in Glückstadt und eskalierten im Jahr 1816, als Wilhelm, der Sohn von Hennings, inzwischen Leutnant der hannoverschen Armee, thor Straten wegen Beleidigung seines Vaters zum Duell aufforderte. Erst 1823 wurde thor Straten nach Ahrensbök versetzt, übergab aber noch im gleichen Jahr – nach 22 Jahren Tätigkeit als Amtsverwalter und Hausvoigt – eine umfangreiche handgeschriebene „Beschreibung der Grafschaft Rantzau“, eine kameralistische Darstellung der Administratur mit geschichtlichen Erläuterungen von 738 Seiten an die Königliche Rentekammer in Kopenhagen. Diese Darstellung wurde offensichtlich Grundlage für die spätere Veröffentlichung Rauerts aus dem Jahre 1840. Erst Helmut Trede veröffentlichte im Jahr 2005 dieses Werk und machte es damit für weitere Auswertungen zugänglich. Die Angaben sind außerordentlich detailreich und bieten ein großes Potential für die Lokalgeschichtsforschung. (s. Literaturliste)
Die Beziehung von Hennings zu Graf Reinhard, dem Mann seiner Nichte, blieb bei den seltenen Treffen, die noch möglich waren, gut, wurde aber höchst diplomatisch, wenn es um Politik ging. Reinhard war während des ersten Koalitionskrieges französischer Gesandter in Hamburg gewesen, sollte jetzt aber Gesandter Napoleons bei dessen Bruder Jerome, dem König von Westfalen, werden. Daher vertrat dieser teils völlig entgegengesetzte Interessen zu Hennings, der die Hamburger und dänische Seite einnahm. Für die Hamburger und Holsteiner war das Verbot jeglicher Schifffahrt eine Katastrophe. Daher blühte der Schmuggel mit Kaffee und Baumwolle auf den Verbindungswegen zwischen den Häfen Husum und Tönning mit Hamburg. Handelshäuser, wie das der Sievekings, brachen zusammen.
Von Rantzau und Barmstedt aus, wo einige Flüchtlinge Zuflucht gesucht hatten, soll man den Feuerschein der brennenden Häuser des Hamburger Randgebietes gesehen haben. Hennings Sohn Wilhelm war als Soldat auf die antifranzösische Seite gegangen und rückte jetzt mit dem Feldbatallion Lauenburg gegen die Dänen in Holstein vor. Diese Koalitions-Truppen fluteten auch über Barmstedt hinweg, um die dänische Festung Glückstadt einzuschließen. Am 1. Januar 1813 kamen feindliche englische Husaren mit 4000 Mann nach Barmstedt und Großendorf. Da sie sich in Feindesland sahen, brandschatzten sie den Ort und erbeuteten dabei 1200 Mark. Am 5. Januar wurde nach 14 Tagen Belagerung Glückstadt übergeben. (Brockmann) Am 9. Dezember 1813 rückten schwedische Husaren in Barmstedt und Rantzau ein. Von jetzt an bis in den Februar mussten die Bewohner die Einquartierung und Verpflegung der Truppen hinnehmen. Nach den Schweden kamen die Russen, dann die Preußen, schließlich wieder Engländer, Hannoveraner und die Hanseatische Legion. In Rantzau ließen sich die Offiziere und Generäle auftischen und die Betten machen, in den anderen Häusern die „Gemeinen“. Sie fühlten sich im Feindesland und sangen nationale Befreiungslieder von Theodor Körner, der als Mitglied des auch hier einquartierten Lützowschen Freikorps, erst wenige Monate vorher gefallen war. Als die Einquartierungen endlich beendet waren, folgte eine Typhusepidemie, der viele zum Opfer fielen. (Ritschl, S.167ff)
Der Streit zwischen Hennings und von Straten war nach Verleumdungen im Jahr 1816 bis zur Duell-Forderung, von von Straten zum Mordüberfall hochstilisiert, gediehen und überschattete die durch viele Tode in der Familie Hennings getrübte Zeit. Jetzt aber gab Hennings noch einmal ein größeres schriftstellerisches Werk heraus, das dem in den folgenden Jahrzehnten zunehmenden Rückbezug auf die nationale Geschichte vorgreifen sollte. Die Deutschen, dargestellt in der frühesten Vorzeit, aus den dürftigen Quellen der Geschichte und weit umfassenden Taten ist ein frühes Zeugnis historisch orientierter Germanenkunde, das die antiken Darstellungen neu bewertet und z.B. die Hyperboräer mit den Germanen identifiziert und die Sage von Atlantis auf ein untergegangenes Land in der Nordsee bezieht. Im übrigen hatte Hennings, inzwischen über 70, zu arbeiten. Pensionierungen gab es für königliche Beamte nicht. Seine Aufgaben waren: zweimal wöchentlich Gericht halten, die Sitzungen des kirchlichen Konsistoriums leiten, Kirchen visitieren, die Landesverwaltung ausüben. Dadurch hatte er auch nach dem Tod des 93-jährigen bisherigen Propstes Valentiner mit der Einführung von dessen Nachfolger Peter Christian Weller im Jahr 1817 zu tun. Die bisher freie Propstei wurde jetzt der königlichen Generalsuperintendentur unterstellt. Auch offizielle Anlässe, wie die Begleitung des Königs Friedrich VI., wenn er auf seiner Reise durch Holstein in Elmshorn haltmachte, gehörten zu Hennings Aufgaben, die er sehr gerne erfüllte, da er diesen reformwilligen König verehrte. (Ritschl, S.194) 1824 heiratete seine jüngste Tochter in der Barmstedter Kirche und auf Rantzau den späteren Hamburger Bürgermeister Friederich Sieveking, bei der es bei einem Böllerschuss durch die zerplatzende Kanone des Müllers zu einem Todesfall kam. (Brockmann)
Im Vorjahr war Hennings endlich seinen Widersacher von Straten los geworden. Dieser hatte sich auf die Stelle eines Amtsverwalters nach Ahrensbök beworben und wurde im Oktober 1823 berufen. Unmittelbar vorher jedoch, am 12. September, hatte er nach 22 Jahren als Amtsverwalter eine beachtliche Arbeit von 738 handschriftlichen Seiten über die Administratur der Grafschaft Rantzau an die Königliche Rentekammer in Kopenhagen geschickt. Möglicherweise hat dieses Werk auch eine entscheidende positive Rolle für seine Bewerbung in Ahrensbök gespielt, sicher aber ist, dass es für das Weiterkommen eines späteren Amtsverwalters eine große Rolle spielte. M.H.T. Rauert hatte nämlich dieses Manuskript offenbar als Grundlage für sein berühmtes Buch „Die Grafschaft Rantzau“ von 1840 benutzt – ohne ihn allerdings in der Literaturliste zu nennen. Hierin bewies er eine überaus große Kenntnis der Verwaltungsmaterie der Grafschaft, obwohl er nur in der Zeit von 1834 bis 1837 als Sekretät hier gearbeitet hatte. (s. Vorwort Helmut Tredes in: thor Straten, S.3). Nachfolger thor Stratens wurde 1824 ein Herr Göhlin.
1826 starb August von Hennings nach längerer Krankheit und wurde – ohne kirchliche Feier, aber mit einer Gedenkrede seines Freundes Pastor Mielk – auf dem Friedhof an der Kirche, damals „Ruhe Hoff“ genannt (s. Karte Mangels unten), begraben. Brockmann schreibt dazu in seinem Tagebuch:
„14. Mai ist der Hochwohlgeb. Herr, Kammerherr August v. Hennings auf Rantzau in den Tod gegangen. ca. 82 Jahre alt. Er ist den 21. Mai des Morgens um 6 Uhr beerdigt ohne Glockengeläute, der Sarg war ganz einfach. Auf dem Elmshorner Totenwagen ward der nach dem Kirchhof gefahren.“
Der abgebildete Grabstein von Hennings stand nach Aufhebung des Kirchhofs 1844 zunächst an der Kirchenmauer, wurde später auf den neuen Friedhof an der Ohe (später Moltkestraße) versetzt und liegt jetzt neben dem „Torhaus“. Der alte Kirchhof war wegen der zunehmenden Bevölkerung bei nicht erweiterbarem Platz völlig überfüllt, so dass Särge übereinander gestellt werden mussten, wobei „der oberste oft nur mit einem Fuß Erde bedeckt wird; sind aber schon 2 Särge in einer Gruft, so bleibt nichts anders übrig, als daß der untere, falls es noch nicht geschehen, zusammengestoßen, und der obere wieder versenkt wird, um den dritten Sarg darauf zu setzen.“ (Rauert, S. 106) Die Beerdigungen fanden im 19. Jahrhundert im Übrigen meist ohne kirchliche Mitwirkung statt. Nach der Gemeindechronik von 1896 wurden noch 1876 höchstens 10 % der Leichen mit Begleitung bestattet.
Verfasser: Michael Theilig